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Wo steckte die Dunkle Materie?

Astronomie|Physik

Wo steckte die Dunkle Materie?
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Rotation von Galaxien im frühen Universum (rechts) und heute. (Grafik: ESO/L. Calçada)
Die Dunkle Materie ist eine wichtige Triebkraft für die Rotation der Milchstraße und vieler weiterer Galaxien im lokalen Universum. Doch das war offenbar nicht immer so, wie Astronomen jetzt herausgefunden haben: Im frühen Universum, drei bis vier Milliarden Jahre nach dem Urknall, dominierte noch die normale Materie das Verhalten von massereichen, sternbildenden Galaxien. Die Dunkle Materie war demnach im frühen Kosmos weniger einflussreich als sie es heute ist, so die Schlussfolgerung der Forscher.

Unser Sonnensystem, die Sterne, glühende Gase und Wolken aus Staub bestehen aus normaler, sogenannter baryonischer Materie. Doch diese nimmt im heutigen Universum nur einen geringen Anteil ein – er liegt bei gerade einmal knapp fünf Prozent der Masse- und Energiedichte des Kosmos, wie unter anderem Messungen des Planck-Satelliten zeigen. Deutlich mehr gibt es dagegen von der Dunklen Materie: Diese exotische Materieform macht gut ein Viertel der Gesamtmasse im Kosmos aus. Weil sie jedoch nur über ihre Schwerkraft mit normaler Materie wechselwirkt, ist die Dunkle Materie für uns und unsere Teleskope unsichtbar. Doch sie verrät ihre Präsenz unter anderem durch ihren Schwerkraft-Einfluss auf Galaxien wie unsere Milchstraße: Bestünde eine solche Galaxie ausschließlich aus normaler Materie, würden sich die sternarmen Außenbereiche langsamer drehen als die dichten Regionen im Zentrum. Beobachtungen naher Spiralgalaxien zeigen jedoch, dass ihre inneren und äußeren Bereiche mit etwa derselben Geschwindigkeit rotieren. Dies lässt sich nur dadurch erklären, dass in den Außenbereichen und speziell in der Halo der Galaxien große Mengen Dunkler Materie vorkommen, deren Masse diese „flachen Rotationskurven“ hervorruft.

„Da bleibt nicht viel Raum für die Dunkle Materie“

Ob die Dunkle Materie auch schon bei Galaxien im frühen Kosmos ähnlich verteilt war, haben nun Astronomen unter der Leitung von Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching untersucht. Für ihre Studie nutzten sie Spektrometer unter anderem am Very Large Telescope der ESO in Chile, um die Rotation von mehreren hundert massereichen, sternbildenden Galaxien im entfernten Universum zu bestimmen. Galaxien besaßen Rotverschiebungen von z=0,6 bis 2,6 – ihr Licht ist demnach bis zu 10 Milliarden Jahre alt. Bei sechs dieser Galaxien erhielten die Forscher Daten mit so hoher Qualität, dass sie sogar individuelle Rotationskurven bestimmen konnten.

Was die Astronomen herausfanden, war verblüffend: Im Gegensatz zu Spiralgalaxien im modernen Universum scheinen die Außenbereiche dieser fernen Galaxien langsamer zu rotieren als die inneren Regionen. „Ihre Rotationsgeschwindigkeiten werden kleiner, je größer der Radius wird“, berichtet Genzel. Dies legt nahe, dass die Galaxien im fernen Universum weniger von der Dunklen Materie dominiert werden als die uns näherliegenden. Zwei weitere Untersuchungen von insgesamt 240 sternbildenden Scheibengalaxien stützen diese Einschätzung. Detaillierte dynamische Modellierungen zeigen, dass Baryonen im Mittel 56 Prozent des Gesamtmassenanteils in allen Galaxien ausmachen, für Galaxien bei den höchsten Rotverschiebungen allerdings dominieren sie die Massenverteilung im Innern vollständig. „Die Rechnungen zeigen es ganz eindeutig: Die Dynamik ist ein Maß für die Gesamtmasse. Wenn wir das, was wir in Form von Sternen und Gas sehen, abziehen, bleibt nicht viel Raum für die Dunkle Materie in diesen frühen Scheibengalaxien“, sagt Koautor Stijn Wuyts von der University of Bath.

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Die wichtigsten Punkte der Entdeckung kurz erklärt.. (Video: ESO)

Wie die Astronomen betonen, stellt dies nicht die Dunkle Materie als fundamentale Komponente des Universums oder deren Gesamtmenge in Frage. Aber die Beobachtungen sprechen dafür, dass sich die Verteilung der Dunklen Materie in und um Galaxien von der Frühzeit des Kosmos bis heute gewandelt hat. Demnach hatte sich im frühen Universum – etwa 3 bis 4 Milliarden Jahre nach dem Urknall – das Gas in Galaxien bereits sehr effizient in der Mitte der ausgedehnten Halos aus Dunkler Materie angesammelt. Für die Dunkle Materie in diesen Halos dauerte es dagegen etliche Milliarden Jahre länger, um ebenfalls zu kondensieren. Dadurch sehen wir ihre dominierende Wirkung erst viel später in den Rotationskurven moderner Galaxien.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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