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Das Nachteulen-Gen

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Das Nachteulen-Gen
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Wer abends spät müde wird und morgens schwer rauskommt, trägt vielleicht das Nachteulen-Gen (Foto: YinYang/ iStock)
Morgens nur schwer aus dem Bett kommen und erst zu Hochform auflaufen, wenn andere schon wieder müde werden: Das ist typisch Nachteule. Forscher haben nun eine Genmutation entdeckt, die für dieses ungewöhnliche Schlafverhalten mancher Menschen verantwortlich sein könnte. Durch diese genetische Besonderheit verlangsamt sich der Takt der inneren Uhr – und der normalerweise 24 Stunden lange Tageszyklus dauert länger.

Die Vorgänge in unserem Körper folgen einem regelmäßigen Tag-Nacht-Zyklus. Dieser Takt unserer inneren Uhr wird von bestimmten Genen gesteuert und durch äußere Zeitgeber wie das Sonnenlicht mit der Umwelt synchronisiert. Er reguliert den Stoffwechsel, den Hormonhaushalt und andere Köperprozesse – und bestimmt auch, wann wir müde werden. Menschen, die denselben Umweltbedingungen ausgesetzt sind, müssten daher eigentlich zu ähnlichen Zeiten schlafen gehen und morgens wieder wach werden. Tatsächlich aber gibt es unter uns sowohl ausgemachte Frühaufsteher als auch sogenannte Nachteulen. Die „Eulen“ gehen in der Regel viel später zu Bett als der von der Natur vorgegebene 24 Stunden-Rhythmus vorschreiben würde. Mitunter kann die Schlafenszeit dadurch so stark verschoben werden, dass Betroffene Probleme haben, den Erfordernissen des Alltags gerecht zu werden und zum Beispiel pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Mediziner sprechen dann vom verzögerten Schlafphasensyndrom.

Doch warum folgen Nachteulen einem anderen Rhythmus? Inzwischen weiß man, dass die innere Uhr dieser Menschen langsamer tickt als die der Durchschnittsbevölkerung. Ihr Tag hat nicht 24, sondern bisweilen sogar rund 26 Stunden. Der innere Taktgeber der Nachteulen hinkt der natürlichen Zeiteinteilung demnach um bis zu zwei Stunden hinterher. Forscher vermuten schon länger, dass diese chronobiologischen Besonderheiten zumindest zum Teil erblich sein könnten. Nun haben Wissenschaftler um Alina Patke von der Rockefeller University in New York eine Genmutation entdeckt, die für die ungewöhnlichen Schlafenszeiten so mancher Nachteule verantwortlich sein könnte.

Auffällige Mutation im Uhren-Gen

Um möglichen Ursachen des verzögerten Schlafphasensyndroms auf die Schliche zu kommen, verglichen die Forscher das Schlafverhalten einer Betroffenen mit dem einer Person vom normalen Chronotyp. Dafür verbrachten beide Probanden zwei Wochen im Schlaflabor, wo ihnen jeglicher Hinweis auf die aktuelle Tageszeit verwehrt blieb. Stattdessen sollten sie essen und schlafen, wann immer ihnen danach war. Die meisten Menschen folgen auch in einer solchen Umgebung automatisch einem rund 24 Stunden langen Schlaf-Wach-Rhythmus – so auch die Kontrollperson im Experiment. Die Nachteule hingegen blieb wie erwartet nicht nur abends deutlich länger auf, ihr Tag schien auch insgesamt länger zu dauern. Das zeigte sich nicht nur an den Schlafenszeiten: Typische Veränderungen der Körpertemperatur und die Ausschüttung von Schlafhormonen wie Melatonin traten ebenfalls verzögert auf. „Der Melatonin-Spiegel beginnt normalerweise zwischen 20 und 22 Uhr anzusteigen“, sagt Patkes Kollege Michael Young. „Bei unserer Patientin passierte das nicht vor zwei oder drei Uhr nachts.“

Auf der Suche nach einer Erklärung für dieses Phänomen verglichen die Wissenschaftler das Erbgut der beiden Probanden – und stießen dabei auf eine auffällige Punktmutation in einem Gen namens CRY1. Dieses codiert für ein Protein, das für die Aufrechterhaltung der circadianen Rhythmik eine entscheidende Rolle spielt. Während des 24 Stunden-Zyklus unserer inneren Uhr werden bestimmte Gene nach einem vorgeschriebenen Muster an- und ausgeschaltet. Das CRY1-Protein ist normalerweise dafür verantwortlich, manche Gene in bestimmten Phasen des Zyklus zu unterdrücken. Die Mutation führt jedoch dazu, dass ein ungewöhnlich aktives Protein produziert wird, wie Patke und ihre Kollegen berichten. Das Cryptochrome schaltet bestimmte Uhren-Gene deshalb für längere Zeit ab als eigentlich vorgesehen. Die Folge: Der Takt der Uhr schreitet langsamer voran, der Tageszyklus dauert länger.

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Vererbtes Schlafverhalten

Weitere Untersuchungen mit Verwandten der Nachteule bestätigten den Effekt der von den Forschern entdeckten Mutation: Fünf Familienmitglieder der Probandin besaßen diese Auffälligkeit in ihrem Genom ebenfalls – und alle hatten ein diagnostiziertes verzögertes Schlafphasensyndrom oder berichteten zumindest über andauernde Schlafprobleme. Ein Blick in verschiedene Gendatenbanken untermauerte diese Beobachtung noch. So stießen die Wissenschaftler unter anderem auf 39 türkischstämmige Träger der Mutation, die sie für weiterführende Befragungen kontaktieren konnten. Dabei stellte sich heraus: Alle Befragten hatten ein für Nachteulen typisches Schlafverhalten. Ihre Verwandten, die keine Träger der entsprechenden Mutation waren, hingegen nicht. Wie Patke und ihre Kollegen berichten, ist die Mutation dominant. Schon die veränderte Genkopie von nur einem Elternteil reicht damit aus, um die Schlafprobleme zu vererben. Zudem berechnete das Team auf Grundlage seiner Analysen: Etwa einer von 75 Menschen nicht-finnischer, europäischer Abstammung könnte von der Mutation betroffen sein.

Und was bedeutet das nun für alle Nachteulen? Noch mache es keinen Sinn, sich auf die Mutation testen zu lassen, sagen die Forscher. „Nur weil man das Problem kennt, kann man es noch lange nicht lösen“, so Patke. Es sei aber nicht undenkbar, mit dem nun erworbenen Wissen in Zukunft einmal Medikamente entwickeln zu können, die die innere Uhr wieder in den richtigen Takt bringen. Bis dahin können Nachteulen versuchen, ihren inneren Taktgeber durch gezielte Strategien zumindest ein wenig zu beschleunigen: Trotz Wachheit zu geregelten Zeiten ins Bett gehen, sich den Wecker stellen oder Lichtduschen am Morgen – all diese äußeren Zeitgeber können dafür sorgen, dass sich die innere Uhr bis zu einem gewissen Grad anpasst.

Quelle:

© wissenschaft.de – Daniela Albat
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