Zitteraale (Electrophorus electricus) haben eine ganz spezielle Jagd-und Verteidigungsstrategie entwickelt: Stromstöße. In Sekundenschnelle kann der Fisch elektrische Impulse von bis zu 600 Volt Spannung und 100 Watt Leistung erzeugen. Möglich ist ihm das durch ein spezielles Organ, das sich an seinen Körperseiten entlangzieht. Dieses elektrische Organ besteht aus parallelen Stapeln von Zellen, die rund 80 Prozent des Aals bedecken. In jeder dieser Zellen herrscht entweder ein leichter Überschuss von Kaliumionen oder von Natriumionen – beides säuberlich voneinander getrennt durch die Zellmembranen. Gibt nun das Gehirn des Aals den Befehl zum „Feuern“, werden die trennenden Membranen blitzschnell durchlässig und erlauben so das Mischen der Ionen. Als Folge fließen Elektronen und es entsteht der Stromstoß.
Nur Wasser, Salz und Hydrogel
Dieses simple, aber wirksame Prinzip zur Stromerzeugung haben Thomas Schroeder von der Universität Fribourg in der Schweiz und seine Kollegen nun kopiert – und so eine biokompatible Stromquelle entwickelt. „Die elektrischen Organe des Zitteraals sind unglaublich raffiniert, sie sind viel besser darin, Strom zu erzeugen als wir es sind“, erklärt Schroeders Kollege Michael Mayer. „Uns war es daher wichtig, das dahinterstehende Grundprinzip zu replizieren.“ Ähnlich wie die Elektro-Zellen des Aals besteht auch ihre biologische Batterie aus vielen winzigen Zellen, die Lösungen mit unterschiedlichen Ionen enthalten. Statt Kalium und Natrium nutzen die Forscher jedoch eine noch einfachere Kombination: Natrium- und Chloridionen, die Grundbausteine des Kochsalzes. Für den ersten Teil der Stromquelle lösten sie Salzwasser in einem Hydrogel und setzen abwechselnd kleine Tröpfchen davon und kleine Süßwassertröpfchen auf einen dünnen Trägerfilm. Weil das Hydrogel erstarrt, fließen diese Tröpfchen nicht ineinander und berühren sich nicht.
Der Clou steckt im zweiten Teil der Biobatterie: Für diese tropften die Forscher erneut zwei verschiedene Hydrogelvarianten in abwechselnden Tröpfchen auf das Trägermaterial. Eines dieser Gele lässt nur negativ geladene Anionen durch, das andere nur positive Kationen. Um nun Strom zu erzeugen, wird dieses zweite Hydrogel-Ensemble einfach auf das erste gedrückt. Kommen die Tröpfchen beider Trägerfilme in Kontakt, sorgt das Konzentrationsgefälle der Ionen dafür, dass die Ionen aus den Salzwasser-Kompartimenten in die Süßwassertropfen strömen. Weil aber die verbindenden Tropfen jeweils nur eine Ionensorte durchlassen, entsteht eine gerichtete Bewegung von Elektronen – es fließt Strom. Und noch ein Konstruktionstrick war nötig: Um die beiden Hydrogel-Komponenten effektiver zusammenzubringen, aber trotzdem das Ganze einfach mit einem 3D-Drucker produzieren zu können, nutzten die Forscher eine alte Origami-Falttechnik, die sogenannte Miura-Faltung.
In ersten Tests gelang es den Forschern, mit ihrem Hydrogel tatsächlich Strom nach dem Aal-Prinzip zu erzeugen. Wie sie berichten, lag die Ausbeute dabei bei 110 Volt und 27 Milliwatt pro Quadratmeter Gelfläche. „Damit liegt die Leistung unseres künstlichen Elektro-Organs noch um mindestens das Tausendfache niedriger als bei den Zitteraalen“, sagt Mayer. „Aber ich halte es für realistisch, dass wir die Leistung allein durch bessere Membranen um das Zehnfache erhöhen können und durch eine noch effizientere Konstruktion noch einmal um das Zehnfache.“ Nach Ansicht der Forscher könnten solche biologische Batterien daher geeignet sein, um zukünftig beispielsweise Herzschrittmacher, Sensoren, Wirkstoffpumpen und andere medizinische Implantate anzutreiben. Denn gegenüber herkömmlichen Batterien haben sie gleich mehrere entscheidende Vorteile: Sie sind flexibel, weich und besteht zudem nur aus komplett unschädlichen, bioverträglichen Materialien.