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Maus frisst Skorpion

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Maus frisst Skorpion
Der Kleine Texas-Sandskorpion gehört zu den giftigsten seiner Art. Sein Stich ist extrem schmerzhaft – und das über viele Stunden hinweg. Dennoch gibt es ein Tier, das diesen Skorpion nicht scheut, ganz im Gegenteil. Eine im gleichen Lebensraum heimische Mäuseart hat sich das Spinnentier sogar zur Leibspeise erkoren. Das Interessante daran: Obwohl die Maus beim Fangen und Töten des Skorpions meist mehrfach gestochen wird, scheint ihr das nichts auszumachen. Warum das so ist, haben US-Forscher jetzt aufgeklärt. Was sie dabei entdeckten, könnte sogar bei der Entwicklung neuer Schmerzmittel helfen.

Schmerz ist lebensnotwendig. Denn er warnt vor Verletzungen und zeigt an, wenn im Körper etwas nicht in Ordnung ist. Und er lässt sich auch gut zu eigenen Schutz ausnutzen: Viele Tiere haben als Abwehr gegen räuberische Fressfeinde Gifte entwickelt, die bei Biss oder Stich extreme Schmerzen auslösten. Der Räuber ist durch den plötzlichen Schmerz meist so abgelenkt, dass dies seiner Beute die Chance zur Flucht bietet. Nach einigen schmerzhaften Erfahrungen dieser Art lernt meist auch der hartnäckigste Räuber, künftig diese wehrhafte Beute zu meiden. Der große Vorteil für die Beute in diesem Kampf ums Überleben: Weil Schmerz so wichtig ist, riskiert es kaum ein Tier, seine Schmerzschwelle zu erhöhen, um die Giftwirkung zu umgehen. „Es ist daher nicht überraschend, dass es kaum Beispiele für Prädatoren gibt, die gegen eine schmerzhafte Beute resistent geworden sind“, erklären Ashlee Rowe von der University of Texas in Austin und ihre Kollegen.

Immun gegen das Skorpionsgift

Ein erstaunliches Beispiel gibt es aber doch – in den Wüsten des amerikanischen Südwestens. Dort lebt der Sandskorpion Centruroides sculpturatus, ein Tier, dessen Gift zu Recht gefürchtet wird. „Sein Stich erzeugt sofort ein starkes Brennen, gefolgt von einem pochenden Schmerz, der über Stunden anhalten kann“, erklären die Forscher. Für kleinere Tiere kann das Gift tödlich sein. Doch das schreckt den größten Fein dieses Skorpions nicht ab: Die Grashüpfermaus Onychomys torridus jagt und frisst mit Vorliebe ausgerechnet diesen Skorpion. Wird sie dabei von ihrer Beute gestochen, hält sie nur Sekunden inne, putzt sich kurz und setzt dann ihre Attacke weiter fort, wie Rowe und ihre Kollegen berichten. In Experimenten mit diesen Mäusen haben die Forscher nun enträtselt, was diese Tiere so unempfindlich gegen das Gift macht.

Für ihre Studie injizierten die Wissenschaftler zunächst sowohl den Grashüpfermäusen als auch normalen Labormäusen eine kleine Menge des Skorpionsgifts in die Hinterpfote. Während sich die Labormäuse anschließend lange Zeit die Pfote leckten und deutliche Anzeichen von Schmerzen zeigten, reagierten die Grashüpfermäuse kaum. Ganz offensichtlich empfanden sie trotz Gift keine Schmerzen. So weit, so wenig überraschend.

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Interessant wurde es aber mit dem zweiten Versuch: Bei diesem injizierten die Forscher einigen Grashüpfermäusen zunächst das Skorpionsgift, dann eine weitere Schmerz auslösende Substanz, Formalin. Eine andere Gruppe erhielt nur das Formalin, ohne vorherige Giftspritze. Das Ergebnis: Das Formalin allein löste auch bei den Grashüpfermäusen Schmerzen aus – ihre Unempfindlichkeit war demnach spezifisch. Hatten die Tiere aber zuvor eine Injektion mit dem Skorpionsgift erhalten, reagierten sie auch auf das Formalin nicht mehr. Statt Schmerzen auszulösen, schien das Gift bei ihnen eher wie ein Schmerzmittel zu wirken.

Schmerz-Signal blockiert

Um diesem seltsamen Effekt auf den Grund zu gehen, analysierten Rowe und ihre Kollegen, wie das Gift auf zwei gängige Schmerzrezeptoren der verschiedenen Mäuse wirkt. Dabei zeigte sich: Bei Labormäusen tut das Gift genau das, was es soll. Es aktiviert den Natriumkanal NaV-1.7 – und damit den Ionenkanal, der die Schmerzrezeptoren dazu bringt, ein Alarmsignal in Richtung Gehirn zu senden. Bei den Grashüpfermäusen aber bleibt der  NaV-1.7-Kanal inaktiv. Der Grund: Sie nutzen ein raffiniertes molekulares Ablenkungsmanöver: Ein zweiter Kanal, NaV 1.8, ist bei diesen Tieren so verändert, dass er dem Gift optimale Andockstellen bietet. Geschieht dies, wird dieser Kanal aktiv und wirkt dann als effektiver Schmerzblocker- er stellt den schmerzauslösenden NaV 1.7-Kanal sofort ruhig.

„Dieser Mechanismus repräsentiert eine einzigartige evolutionäre Strategie“, konstatieren Rowe und ihre Kollegen. Denn statt die Ansatzstelle des Giftes zu verändern, hat diese Maus einfach eine Art Signalableiter entwickelt. Weil der Natriumkanal NaV 1.8 auch bei anderen Säugetieren existiert, eröffnet dies vielleicht neue Möglichkeiten, um chronische oder akute Schmerzen auch beim Menschen zu verhindern. „Die biochemische Wechselwirkung zwischen dem Skorpionsgift und dem Kanal könnte die Basis bilden, um hoch selektive, nicht abhängig machende Schmerzmittel zu entwickeln“, konstatieren die Forscher.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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