Wie lang ist die Nase – wie fliehend die Stirn? Ein frontales Gesichts-Foto lässt diese Eigenschaften nur erahnen, denn es erfasst nur eine Dimension des dreidimensionalen Körpers. 3D-Scanning ermöglicht es hingegen, einen Gegenstand realitätsgetreu abzubilden und Daten über dessen Form zu erfassen. Bisherige Verfahren sind aber meist sehr aufwendig, benötigen eine hohe Rechenleistung, weshalb sie sich nicht für spontane Aufnahmen eignen. Das Konzept der Forscher um Marc Pollefeys von der ETH Zürich soll dies nun ändern. Ähnlich wie beim Fotografieren richtet der Benutzer die Kamera seines Smartphones dabei auf ein beliebiges Objekt. Anstatt auf den Auslöser zu tippen, bewegt er das Gerät allerdings über das Objekt hinweg, damit es fortlaufend Bilder aufzeichnen kann. Schon nach wenigen Aufzeichnungen erscheint auf dem Bildschirm ein 3D-Modell des Objekts.
Dieses Echtzeit-Feedback ist möglich, weil die App die dreidimensionale Darstellung direkt auf dem Smartphone berechnet, erklären die Wissenschaftler. „Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber bisherigen Lösungen, welche die verschiedenen Bilder erst in der Cloud verarbeiten müssen, und das 3D-Modell erst einige Zeit nach der Aufnahme anzeigen können”, erklärt Marc Pollefeys. Die Technologie funktioniert den Forschern zufolge sogar bei schlechten Lichtverhältnissen, wie beispielsweise in Museen oder Kirchen. So könnten Besucher eine Skulptur einscannen und sie später zu Hause detailliert betrachten und bearbeiten.
Cleveres Konzept aus universitärer Forschung
Die Software soll auf fast allen gängigen Smartphones mit Android Betriebssystem laufen können, sagen die Züricher Forscher. Bei der Entwicklung nutzten sie neben der Kamera auch die vorhandenen Drehraten- und Beschleunigungssensoren, über die herkömmliche Smartphones verfügen. So kann das System aus den Bewegungen des Benutzers automatisch die richtigen Momente bestimmen, in denen es die Bilder aufzeichnet. „Noch vor zwei Jahren hätte man eine solche Software nur auf großen Computern laufen lassen können. Dass dies auf einem Smartphone funktioniert, wäre undenkbar gewesen”, sagt Marc Pollefeys. Den Forschern zufolge kann der mobile 3D-Scanner sogar die absolute Größe und die vertikale Ausrichtung eines Objekts ermitteln, was mit bisherigen 3D-Bildverfahren nicht möglich war.
Anwendungen sehen die Wissenschaftler überall dort, wo Visualisierungen zum Einsatz kommen. Die Technologie erlaubt es beispielsweise auch, 3D-Modelle von Gesichtern zu erzeugen. Porträtbilder von Freunden und Familienangehörigen könnten so in Zukunft eine dritte Dimension erhalten. Auch eine Umsetzung in reale 3D-Modelle sei mit 3D-Printern möglich, die bereits erhältlich sind. Von der 3D App gibt es bisher nur eine Demoversion – das Konzept der Wissenschaftler ist zum Patent angemeldet. Wer die Welt mit seinem Smartphone dreidimensional erfassen möchte, muss sich also noch etwas gedulden.