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Fotografieren kann die Wahrnehmung behindern

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Fotografieren kann die Wahrnehmung behindern
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Credit: Thinkstock
Ach, wie schön war das! Den Anblick eines Kunstwerks rufen wir uns gern ins Gedächtnis zurück. Aus diesem Grund versuchen viele Menschen, ihre Erinnerungen mit Fotos zu untermauern: Kamera oder Smartphone sind immer dabei, um schöne Eindrücke gleichsam zu konservieren. Doch eine US-Studie zeigt nun: Fotos machen kann der Bildung detailreicher Erinnerungen im Weg stehen. Probanden, die bei einem Museumsbesuch fotografierten, konnten sich anschließend schlechter an die Ausstellungsstücke und Details ihres Aussehens erinnern als Menschen, die das Museum nur betrachtend erkundet hatten.

 

„ Oft hat man das Gefühl, dass Menschen reflexartig Fotos machen und dabei gar nicht mehr richtig bewusst wahrnehmen, was sie sehen“, sagt Linda Henkel von der Fairfield University in XY . Dieser persönliche Eindruck brachte die Wissenschaftlerin nach eigenen Aussagen auf die Idee, den Zusammenhang einmal systematisch zu untersuchen. Sie wollte herausfinden, in wieweit das Fotografieren die Erinnerungen an das Abgebildete beeinflusst.

 

Um dieser Frage nachzugehen, führte sie Experimente mit Gruppen von Studenten durch, die durch das Bellarmin Museum of Art an der Fairfield University geführt wurden. Ein Teil der Probanden sollte von den Ausstellungsstücken Fotos machen, der andere hingegen nur betrachtend die Kunst auf sich wirken lassen. Am nächsten Tag wurden alle Probanden befragt, an welche Objekte sie sich erinnern konnten und welche Details sich ihnen eingeprägt hatten.

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Wer knipst, schaut nicht mehr richtig hin

 

Die Auswertungen zeigten: Diejenigen, die fotografiert hatten, konnten sich an weniger Ausstellungsstücke erinnern als die Teilnehmer, die ohne Kamera durchs Museum gelaufen waren. Das -Bilderknipsen hatte offenbar außerdem den Detailblick vernebelt: Die mit der Kamera bewaffenten Probanden konnten vergleichsweise wenige Fragen über visuelle Details der Objekte beantworten. „Es kann ein Trugschluss sein zu glauben, fotografieren würde uns beim Erinnern unterstützen“, interpretiert Henkel das Ergebnis.

 

Doch offenbar ist der Effekt abhängig davon, wie detailliert man sich mit dem Fotoobjekt befasst, zeigte ein weiterer Versuch. Dabei wurden Probanden gebeten, ein bestimmtes Detail eines Kunstwerkes mit der Kamera durch den Zoom zu erfassen und zu fotografieren. Anschließende Befragungen ergaben, dass die Probanden nun nicht nur das jeweilige Detail genauso gut beschreiben konnten wie die Betrachter-Probanden, sondern auch das ganze Kunstwerk. Offenbar hatte die Aufforderung zum Detailblick die Aufnahmefähigkeit insgesamt erhöht. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Wahrnehmung durch Fotografieren insgesamt verändert wird, sagt Henkel.

 

Man könnte nun einwenden, dass Fotos das weniger detailreiche Erinnerungsvermögen ersetzen, wenn man sie später betrachtet. Henkel gibt in diesem Zusammenhang allerdings zu bedenken: „Dazu muss man sich mit den Fotos später auch wirklich befassen und sie nicht nur anhäufen“. Im Zeitalter der Foto-Handys und Digitalkameras neigen nämlich viele Menschen dazu, Unmengen an Fotos zu machen, die dann schließlich kaum Beachtung finden. Diese Foto-Inflation wirkt dem Effekt als Erinnerungsstütze also entgegen und so wäre es vielleicht manchmal besser, den Anblick von etwas Schönem zu genießen, ohne ständig zu knipsen.

 

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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