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Schwerelose Perlenkette

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Schwerelose Perlenkette
Auf Youtube brachte dieses Video zweieinhalb Millionen Menschen zum Staunen: Eine Kette aus Metallperlen fließt aus einem Becher auf den Boden – und steigt dabei zunächst scheinbar schwerelos in die Höhe, bevor sie fällt. Seither rätseln Laien und Wissenschaftler gleichermaßen über diesen seltsamen Effekt. Zwei britische Physiker haben das Phänomen der Kettenfontäne nun ebenfalls näher untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Kette nicht nur von ihrem Vorderende gezogen wird, sondern dass auch der noch im Gefäß befindliche Stapel eine Art anomale Reaktionskraft ausübt – und ihr damit Schub verleiht.

„Ketten gehören zu den einfachsten, ältesten und allgegenwärtigsten Technologien überhaupt“, erklären John Biggins und Mark Warner vom Cavendish Laboratory in Cambridge. Und auch das Abspulen einer Kette von einer Walze oder einem Haufen ist absolut nichts Neues oder Ungewöhnliches. „Man könnte also glauben, dass dieser Prozess längst komplett verstanden und enträtselt ist“, so die Forscher. Doch genau das ist offensichtlich nicht der Fall, wie ein Youtube-Video des Wissenschafts-Journalisten Steve Mould von der BBC auf faszinierende Weise belegt. Darin hält er ein Becherglas, in dem eine lange, aus Metallperlen bestehende Kette zusammengeknäuelt liegt. Dann nimmt er das Ende der Kette heraus und lässt es zu Boden fallen.

Rätselraten weltweit

Was nun geschieht, sorgte weltweit für Erstaunen: „Die Kette beginnt nicht nur, aus dem Behälter zu fließen, sie springt auch spontan weit über den Rand des Bechers hinaus nach oben und bildet eine Fontäne“, beschreiben Biggins und Warner das Phänomen. Die Kette scheint dabei der Schwerkraft zu trotzen und hebt sich erstaunlich weit aus dem Becher heraus. Dieser Effekt tritt sogar dann auf, wenn man eine Kette einfach nur von einem Tisch oder Teller auf den Boden fließen lässt. Aber warum?

Einige Zuschauer vermuteten, dass die Kettenglieder zu steif miteinander verbunden sind, um direkt vom Becherrand nach unten abzubiegen, dadurch bilden sie einen Bogen. Der Schwung der Bewegung könnte dann diesen Bogen nach oben ausbeulen lassen und die Schwerkraft in diesem Bereich quasi ausgleichen. Doch wie Biggins und Warner in Modellrechnungen belegen, stimmt diese Erklärung leider nicht. Denn die Kette ist dafür bei weitem nicht steif genug und der Bogen zu groß. Stattdessen gingen die Forscher einer anderen Spur nach. Ihre Vermutung: Der noch im Becher liegende Teil der Kette muss an der Fontäne beteiligt sein. „Es muss dabei eine vom Tisch oder Becherboden aufwärts wirkende Kraft geben“, so die Wissenschaftler.

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Elastische Kollisionen als Anschub

In ihren Modellrechnungen überprüften Biggins und Warner dies, indem sie die virtuelle Kette quasi aus dem Schwebezustand ihr Fließen beginnen ließen. Und tatsächlich: Gab es für die vom Knäuel abhebenden Kettenteile keine Möglichkeit, sich abzustoßen, blieb auch die Fontäne aus. „Das bestätigt, dass auch der Becher oder Tisch der Kette Anschub geben müssen, um eine Fontäne zu bilden“, konstatieren die Forscher. Elastische Kollisionen zwischen den abhebenden Kettenperlen und den noch am Becherboden liegenden liefern dabei diesen Schub.

Bestätigt wird dies durch einen weiteren Versuch: Legt man die Kette in engen Windungen flach auf einen Tisch und lässt dann das Ende am Stapel vorbei über die Tischkante fallen, dann bildet sie nicht nur ebenfalls einen Bogen. Es ist auch zu erkennen, dass die sich lösenden Kettenglieder die noch ruhig liegenden anzuschubsen scheinen – als wenn sie sich abdrücken würden. Mit Hilfe ihrer Modellrechnungen gelang es den Forschern sogar, eine Gesetzmäßigkeit in dem Fontänen-Phänomen zu erkennen: Die Größe des Bogens ist proportional zum Quadrat der Kettengeschwindigkeit. Mit anderen Worten: Je schneller die Kette nach unten gezogen wird, desto höher steigt die Fontäne auf.

Allerdings: Ganz enträtselt ist dabei das seltsame Kettenverhalten trotzdem noch nicht, wie die Forscher betonen. „Wir sind noch weit davon entfernt, den scheinbar so einfachen Prozess des Ziehens am Ende einer aufgeknäuelten Kette zu verstehen“, so Biggins und Warner. „Es könnten uns dabei noch so einige Überraschungen erwarten.“

 

 

 

 

 

 

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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