Von den Urahnen der Haushunde ist die ausgeprägte Gruppenhierarchie im Rudel besonders bekannt: Bei den Wölfen sorgen ein dominantes Weibchen und Männchen für den Nachwuchs und nehmen die Positionen an der Spitze ein. Gemäß einer bestimmten Hackordnung reihen sich die anderen Rudelmitglieder hinter ihnen ein. Bei Gruppen von Haushunden ist diese Ordnung weniger klar ausgeprägt. Dennoch zeichnen sich den Forschern um Máté Nagy von der Oxford University zufolge auch bei ihnen Gruppenstrukturen und persönliche Eigenschaften ab.
Hunde, die als erstes bellen, beim Fressen den Vortritt haben und besonders viele Rangeleien gewinnen, repräsentieren die dominanten Tiere. Niederrangigere Hunde zeigen hingegen ihre Unterwürfigkeit, indem sie das Maul ranghöherer Tiere häufig lecken. Dominante Charakterzüge stehen den Forschern zufolge auch mit anderen Eigenschaften der Vierbeiner in Verbindung: Diese Tiere lassen sich meist besonders gut trainieren. Besitzer von Hundegruppen wissen meist über die Stellungen ihrer Einzeltiere Bescheid. Mit dem GPS-System von Nagy und seinen Kollegen lässt sich dies allerdings objektiv und schnell erfassen. Außerdem können subtile Gruppenstrukturen deutlich werden, die der persönlichen Beobachtung oft entgehen.
Bewegungslinien zeigen, wer die Nase vorn hat
Bei den Versuchen der Forscher trugen die Tiere ein Geschirr, das mit einem GPS-Sender ausgestattet war, der hochfeine Positionsinformationen vermitteln kann. Die Daten ergaben durch Aufbereitung am Computer Bewegungslinien, welche die Wege und Interaktionen der einzelnen Tiere dokumentierten. So wurde deutlich, welche Hunde besonders oft die Nase vorn hatten – diejenigen also, bei denen es sich um die dominanten Tiere handelte. „Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, das soziale Ranking in der Gruppe und die Persönlichkeit jedes Hundes durch seine Bewegungsdaten zu bestimmen“, resümiert Nagy das Ergebnis.
Das Konzept könnte helfen, Hunde zu Gruppen zusammenzustellen, die charakterlich besonders gut zueinander passen, sagen die Forscher. Bei Rettungs- oder Suchhundestaffeln könnte das von Vorteil sein. Die in der Studie verwendete Technologie ließe sich außerdem zur Untersuchung der Sozialstrukturen anderer Tierarten einsetzen. Sogar in Gruppen von Menschen könnten GPS-Sender subtile Vernetzungen aufdecken, meinen Nagy und seine Kollegen.