Vom Amazonas über die Flüsse Afrikas bis hin zu trüben Meeresgewässern – in unterschiedlichen Lebensräumen haben sich Fische die Effekte der Elektrizität zu Nutze gemacht: Spannungsfelder und Stromstöße dienen den Tieren beim Beutefang, der Verteidigung, Navigation und Kommunikation. Es war bereits bekannt, dass die Fähigkeiten aller Vertreter der Elektro-Fische auf dem gleichen Grundprinzip beruhen: Abgewandelte Muskelzellen unter der Haut der Fische, die sogenannten Elektrozyten, erzeugen die Elektrizität.
Viele Arten wie der Nilhecht oder der Elefantenrüsselfisch, erreichen nur vergleichsweise geringe Spannungen, doch vor allem beim Zitteraal, Zitterwels und Zitterrochen entsteht durch die Hintereinanderschaltung von vielen Elektrozyten ein enormes Gesamtpotenzial. Es kann beim Zitteraal 600 Volt erreichen – deutlich mehr als bei einer Steckdose. Damit kann der bis zu 2,8 Meter lange Fisch seine Beute paralysieren und sich bei Bedarf buchstäblich schlagartig verteidigen.
Sechs mal unabhängig die gleiche Werkzeugkiste genutzt
„Es ist erstaunlich, dass elektrische Organe sechsmal unabhängig voneinander in der Evolutionsgeschichte entstanden sind“, betont Lindsay Traeger von der Michigan State University in East Lansing. Sie und ihre Kollegen sind diesem Phänomen nun mit den Mitteln der Genetik nachgegangen. Sie haben das Genom des Zitteraals sequenziert und es im Hinblick auf die „spannenden“ Aspekte analysiert. Außerdem erfassten sie die aktiven Gene in den elektrischen Organen von anderen Vertretern der unterschiedlichen Entwicklungslinien der Elektro-Fische.
„Wir haben herausgefunden, dass alle Elektro-Fische die gleiche genetische Werkzeugkiste nutzen, um ihre elektrischen Organe auszubilden“, sagt Studienleiter Jason Gallant von der Michigan State University. Prinzipiell erzeugen Muskeln bei ihren Kontraktionen immer eine winzige Spannung, erklären die Forscher. Aber vor etwa 100 Millionen Jahren begannen manche Fischarten, dies systematisch zu nutzen und zu verstärken. Sie entwickelten die Elektrozyten und schalteten sie in Reihe – wie bei einer Batterie. Die Abwandlung bestimmter Gene führte dabei zu dem spannenden Resultat: „Die Fähigkeit zur Kontraktion ging bei den Elektrozyten verloren und Proteine in den Zellmembranen änderten sich, so dass Ionen die Seiten wechseln, was zu einer elektrischen Ladung führt“, erklärt Traeger.
Die Studie zeigt, dass die Natur im Fall der Elektro-Fische immer wieder die gleichen Mechanismen nutzte, um die elektrisierende Fähigkeit unabhängig von einander hervorzubringen. Offenbar handelt es sich demnach um einen idealen Weg, biogene Elektrizität hervorzubringen. „Durch Informationen über den entsprechenden Baukasten der Natur können wir vielleicht eines Tages künstliche Elektrozyten herstellen, die in Körpern Strom erzeugen oder wir können spannende Anwendungen entwickeln, die noch in den Sternen stehen“, sagt Co-Autor Michael Sussman von der University of Wisconsin-Madison.