Die erste auf dem nordamerikanischen Kontinent verbreitete Kultur waren höchstwahrscheinlich die Clovis-Menschen. Sie lebten in kleinen Gruppen als Jäger und Sammler und stellten charakteristische Speerspitzen und Werkzeuge aus Stein her. Funde solcher Clovis-Spitzen im Mittleren Westen und im Süden der USA belegen, dass diese Steinzeit-Kultur schon vor rund 13.000 Jahren existierte – und dass die Clovis-Menschen damals vor allem die großen Pflanzenfresser der Eiszeitära jagten, darunter Mammuts und Mastodons. Der zeitliche und räumliche Ursprung dieser Kultur ist allerdings heftig umstritten, wie Guadalupe Sanchez von der Universidad Nacional Autónoma de México in Sonora und ihre Kollegen berichten. Meist wird angenommen, dass die ersten Menschen, die Nordamerika über die Bering-Landbrücke erreichten, die Clovis-Kultur begründet haben. „Eindeutige Belege dafür gibt es aber bisher nicht“, so die Forscher. Theoretisch wäre es genauso gut möglich, dass sich diese Kultur erst später entwickelte, als sich die Vorfahren der Clovis-Menschen schon weiter nach Süden ausgebreitet hatten. Immerhin wurden die meisten und ältesten Clovis-Relikte im Südosten Arizonas gefunden.
Speerspitzen und Rüsseltierknochen
Die neuen Funde von Sanchez und ihren Kollegen werfen nun ein neues Licht auf den Ursprung der Clovis-Kultur und liefern gleichzeitig wertvolle Informationen zu ihren Jagdgewohnheiten. Entdeckt wurden sie in der Sonora-Wüste an einem passenderweise „El Fin del Mundo“ – das Ende der Welt – getauften Ort. Dort hatte ein Rancher Knochen und Steinspitzen aus der Wand eines Trockentals ragen sehen. In ihren Ausgrabungen förderten die Archäologen dort knapp 30 Clovis-Steinwerkzeuge zutage, darunter sieben gut erhaltene Speerspitzen in der für diese Kultur charakteristischen Form. Es handelt sich damit um die ersten Clovis-Relikte, die südlich der US-Grenze entdeckt worden sind. Datierungen von Kohleresten und Knochen in der gleichen Schicht ergaben zudem, dass diese Relikte rund 13.550 Jahre alt sind. „Sie gehören damit zu den ältesten in ganz Nordamerika“ sagen die Forscher. Der Fund so alter Clovis-Überreste so weit südlich spricht ihrer Ansicht nach dafür, dass diese Kultur vielleicht doch vor Ort, also im Süden der heutigen USA entstand.
Doch die Steinspitzen und -fragmente waren nicht die einzigen Funde an diesem Ort: In unmittelbarer Nähe davon entdeckten die Archäologen die Knochen von zwei größeren Tieren, die sich als Gomphoteren erwiesen – ausgestorbene Verwandte des heutigen Elefanten. Wie die Forscher berichten, deutet die Position der Knochen darauf hin, dass diese Tiere nicht eines natürlichen Todes starben, sondern getötet wurden – höchstwahrscheinlich von den Clovis-Menschen. An einer der Speerspitzen stellten sie einen Bruch fest, der vom heftigen Auftreffen des Speeres in den Körper eines der Tiere herrühren könnte. Offenbar hatten die eiszeitlichen Jäger die Rüsseltiere erlegt, ihr Fleisch abgetrennt und verzehrt und dann die übrigbleibenden Knochen in einem unordentlichen Haufen beiseitegelegt. Zahlreiche kleine Steinfragmente zeugen von diesem eiszeitlichen Schlachtfest: Sie sind wahrscheinlich Steinsplitter, die abfielen, als die Clovis-Jäger ihre Messer und Schaber während des Schlachtens nachschärften.
Der Fund in El Fin del Mundo ist der erste und bisher einzige Beleg dafür, dass die Clovis-Menschen auch Gomphoteren jagten, wie die Forscher berichten. „Damit steht nun neben dem Mastodon eine weitere Rüsseltierart auf Liste der von ihnen gejagten Tiere“, so Sanchez und ihre Kollegen. Die Funde repräsentieren aber auch die jüngsten auf dem Kontinent entdeckten Gomphoteren-Fossilien und eine der ältesten Clovis-Lagerstätten.