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Der Exot aus Aichi

Technik|Digitales

Der Exot aus Aichi
Autos mit Brennstoffzellen unter der Haube könnten Elektroautos mit Batterie Konkurrenz machen. Jetzt kommen die ersten Serienwagen auf den Markt – von Herstellern aus Fernost.

Beim Fußball ist Deutschland Spitze, bei neuen Antriebstechnologien haben meist Japan und Südkorea die Nase vorn. Das hat der japanische Automobilkonzern Toyota bereits mit seinem Mittelklassemodell Prius bewiesen, das er Ende 1997 als weltweit erstes Serienauto mit Elektro-Hybridmotor zuerst in Japan auf den Markt brachte – und mit dem das Unternehmen den Weg ebnete für Fahrzeuge mit einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor. Mutig zeigt sich Toyota nun auch bei der Einführung der automobilen Brennstoffzellentechnologie: Ab April 2015 wird der Hersteller aus der gleichnamigen Stadt in der japanischen Präfektur Aichi die ersten in Serie gefertigten Brennstoffzellenautos anbieten. Einige Monate später sollen die Fahrzeuge namens FCV (Fuel Cell Vehicle) auch in Europa und in den USA zu haben sein.

Leasing an handverlesene Fahrer

Bereits seit 2013 sind zwar einige Brennstoffzellenautos des Modells ix35 Fuel Cell vom südkoreanischen Hersteller Hyundai unterwegs. Sie werden allerdings nur in einer auf einige 1000 Exemplare limitierten Stückzahl produziert und an ausgewählte prominente Personen verleast. Kaufen kann man den Wagen nicht. Die Rivalen aus Europa und den USA halten sich bislang zurück. Dabei war es vor allem der Stuttgarter Autokonzern Daimler, der in den letzten 20 Jahren immer wieder den baldigen Marktstart von Serienfahrzeugen mit Brennstoffzellen unter der Haube versprach – ihn dann aber stets wieder vertagte. Zuletzt kündigten die Schwaben vor drei Jahren in bild der wissenschaft an, 2014 mit dem exotischen Antrieb in Serie zu gehen (bild der wissenschaft 12/2011, „Abgasfrei um den Globus”). Im Frühjahr 2013 machte Daimler aber einen Rückzieher und verschob den Serienstart erneut auf 2017. Zudem wollen die Stuttgarter bei der Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnik nun mit Ford und Nissan zusammenarbeiten. Die Forscher bei Daimler feilen seit Mitte der 1990er-Jahre an dem alternativen Antrieb, bei dem Wasserstoff mit Luftsauerstoff in einer sanften chemischen Reaktion zu Wasser reagiert und dabei neben Wärme auch elektrischen Strom liefert. Die Abwärme kann zur Klimatisierung des Wagens dienen, der Strom treibt einen Elektromotor an.

Die Daimler-Forscher präsentierten eine ganze Reihe von Testfahrzeugen und Prototypen. Und das Stuttgarter Unternehmen kündigte einst an, die Technologie bereits bis 2005 auf den Markt zu bringen – was aber angeblich stets an technischen Problemen und zu hohen Herstellungskosten scheiterte.

Brennstoffzellenfahrzeuge gelten als ideale Alternative zu batteriebetriebenen Elektroautos, wenn lange Fahrstrecken zu bewältigen sind. Beide elektrischen Antriebsarten – mit Batterie oder Brennstoffzellen – erzeugen beim Fahren keine umwelt- oder klimaschädlichen Abgase. Während aber die Reichweite der meisten batterieelektrischen Wagen wegen der begrenzten Kapazität der Akkus maximal 100 bis 150 Kilometer beträgt und die Batterien danach stundenlang nachgeladen werden müssen, kommt man mit Brennstoffzellen, ohne zu tanken, ähnlich weit wie mit einem Benzin- oder Dieselauto. Der dafür benötigte Wasserstoff wird – an speziellen Zapfsäulen – wie herkömmlicher Sprit getankt und entweder als eisig kalte Flüssigkeit oder als Gas unter hohem Druck von rund 700 Bar in einem robusten Stahlbehälter mitgeführt. Der Tankvorgang dauert, wie man es als Autofahrer von Benzin oder Diesel gewohnt ist, nur wenige Minuten.

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Wasserstoff aus Windrädern

Wasserstoff steht schon heute in recht großen Mengen zur Verfügung: Er entsteht als Abfallprodukt bei Produktionsprozessen in der chemischen Industrie – in Deutschland pro Jahr rund 20 Milliarden Kubikmeter. Studien zeigen, dass sich genügend Wasserstoff erzeugen ließe, um den gesamten Verkehr darauf umzustellen. Zudem ist Wasserstoff fast überall herstellbar – und nicht wie Erdöl und Erdgas auf bestimmte Förderregionen beschränkt. Insbesondere lässt sich das leicht flüchtige Gas – CO2-neutral – mithilfe von Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft produzieren, etwa indem überschüssiger Windstrom zur Elektrolyse von Wasser genutzt wird. Dabei wird das Wasser elektrochemisch in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.

Ein klarer Vorteil der Brennstoffzelle ist ihre große Effizienz. Im Gegensatz zu einem Verbrennungsmotor, der auf einem thermodynamischen Prinzip basiert – also Wärme in Bewegung umsetzt –, verwandelt eine Brennstoffzelle den Wasserstoff-Sprit direkt in elektrische Energie. Dabei geht vergleichsweise wenig Energie als Wärme verloren. Besonders günstig fällt der Wirkungsgradvergleich für die Brennstoffzelle unter sogenannter Teillast aus – also im Stadtverkehr oder auf Landstraßen, wenn vom Motor nicht das maximal mögliche Drehmoment abgerufen wird. Zudem ist ein Brennstoffzellen-Antriebsstrang modular aufgebaut. Daher lassen sich die technischen Bestandteile fast beliebig anordnen und an die Gestalt verschiedenster Fahrzeugmodelle anpassen. Der Antriebsstrang besteht aus einem Brennstoffzellen-Stack – einem Stapel aus mehreren einzelnen Brennstoffzellen, die so miteinander kombiniert sind, dass sich ihre Stromproduktion addiert –, elektrischen Steuersystemen, einem oder mehreren Wasserstofftanks, einer kleinen Starterbatterie und dem Elektromotor.

Mit einer Tankfüllung Wasserstoff erreichen Brennstoffzellenautos eine Reichweite von 700 Kilometern. Der Marktpreis für Wasserstoff ist mit derzeit rund 10 Euro pro Kilogramm – eine Menge, die für etwa 100 Kilometer genügt – mit dem für Benzinkosten vergleichbar. Allerdings: Es mangelt bisher eklatant an Wasserstoff-Tankstellen. In ganz Deutschland gibt es kaum mehr als ein Dutzend, von denen manche nicht einmal öffentlich zugänglich sind, etwa auf Flughäfen.

Tankstellen sind Mangelware

Bis 2015 soll das Netz auf 50 Stationen erweitert werden, womit aber noch nicht einmal in allen größeren Städten eine Tankmöglichkeit bestehen würde – von einer flächendeckenden Versorgung ist man noch weit entfernt. Die Bundesregierung hat zugesagt, sich mit 20 Millionen Euro an der Erweiterung des Tankstellennetzes zu beteiligen. Angesichts geschätzter Kosten von rund zwei Milliarden Euro für einen breiten Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur ist das kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Doch vor allem ist die Herstellung eines Brennstoffzellenautos ausgesprochen teuer. Der Toyota FCV soll zwar beim Marktstart in Japan „nur” rund 50 000 Euro kosten, doch Experten bezweifeln, dass der Preis die Fertigungskosten deckt. Eine Anfang 2014 veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung Roland Berger kommt zu dem Ergebnis, dass allein die Herstellung der Brennstoffzelleneinheit je Fahrzeug auch heute noch mit rund 45 000 Euro pro Stück zu Buche schlägt.

Fast die Hälfte entfällt auf die Membran-Elektrode, die Wasserstoff und Sauerstoff in der Zelle voneinander trennt und an der die chemische Reaktion der beiden Gase abläuft. „Die größte aktuelle Herausforderung bei der Entwicklung von Wasserstoff-Brennstoffzellen besteht in der Kostensenkung für die Systemtechnik”, meint daher Ulf Groos, Abteilungsleiter für Brennstoffzellensysteme beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.

Hauptpreistreiber ist das Platin, das in der Elektrode als Katalysator benötigt wird, um die chemischen Prozesse zu unterstützen. Zwar suchen Forscher und Entwickler schon lange nach billigeren Ersatzstoffen für das Edelmetall, bislang aber ohne großen Erfolg. Kein anderer Stoff kann die Aufgabe in den Zellen so gut erfüllen wie das Platin: Es lässt sich so präparieren, dass es in Form von kleinen Partikeln vorliegt. Diese werden auf die Membran zwischen Wasser- und Sauerstoff aufgetragen. Die Platin-Partikel vergrößern deren mikroskopische Oberfläche, wodurch die chemische Reaktion unter optimalen Bedingungen ablaufen kann.

„Der Fokus liegt derzeit auf der Verringerung des Platingehalts in der Zelle”, sagt Groos. Doch auch da kommen die Ingenieure nur langsam voran. Daimler hat die hohen Kosten für Platin als Hauptgrund für die erneute Verschiebung des Serienstarts von Brennstoffzellenautos genannt. Die Experten bei Roland Berger gehen zwar hoffnungsvoll davon aus, dass die Kosten für Brennstoffzellen bis 2025 durch einen geringeren Platinbedarf pro Fahrzeug um bis zu 80 Prozent sinken werden. Doch mit wenig Perspektive: Sie erwarten, dass der alternative Antrieb noch lange ein Nischenprodukt bleibt.

Toyota-Vizepräsident Kato dagegen ist fest vom Erfolg der Brennstoffzellentechnologie überzeugt. Er will ganz vorne sein, wenn der Markt dereinst durchstartet – wie vor einigen Jahren beim Prius mit Hybridantrieb. Dieses Auto wurde anfangs von vielen als chancenlos belächelt, und Toyota verkaufte auch zunächst nur bescheidene Stückzahlen fast ausschließlich in Fernost und in den USA. Doch seither stiegen die Verkaufszahlen rasch und immer mehr Hersteller bringen Hybrid-Modelle auf den Markt. Inzwischen wurden weltweit rund sechs Millionen Prius mit Hybridantrieb verkauft. Allein Pionier Toyota und seine Luxusmarke Lexus haben insgesamt 23 verschiedene Hybrid-Modelle im Angebot, etliche weitere sollen folgen. Auch das Brennstoffzellenauto gibt es in einer Hybridversion – mit zusätzlichem Verbrennungsmotor. Viele seiner Komponenten können die Japaner mit geringen Veränderungen von den praxisbewährten Hybridautos mit Batterie übernehmen.

Kinderkrankheiten überwunden

Technisch gilt der Brennstoffzellenantrieb längst als ausgereift. Fraunhofer-Forscher Ulf Groos betont: „Auch der Kaltstart bei extrem tiefen Temperaturen ist heute kein Problem mehr.” Der war lange das Sorgenkind der Konstrukteure. Ältere Prototypen von Brennstoffzellenfahrzeugen quittierten bei Minusgraden regelmäßig den Dienst. Dass auch härteste Straßen- und Umgebungsbedingungen den Autos nichts anhaben können, hat Daimler 2011 mit einer Weltumrundung durch drei Mercedes B-Klasse F-Cell bewiesen: Jedes der Fahrzeugte legte mühelos rund 30 000 Kilometer um den Erdball zurück, durch unterschiedliche Klimazonen und auf steinigen Buckelpisten in Steppen und im Hochgebirge. Holperig wurde es für die Brennstoffzellenautos mit dem Stern offenbar erst beim Übergang in die Serienproduktion. •

HEIKE STÜVEL hält die Idee, Autos mit elektrischem Strom aus Brennstoffzellen zu betreiben, für bestechend.

von Heike Stüvel

Harmloses H2

Wasserstoff hat den Ruf, ein gefährlicher Stoff zu sein. Voraussetzung für eine sogenannte Knallgasreaktion, bei der Wasserstoff und Sauerstoff explosionsartig miteinander reagieren, ist aber ein detonationsfähiges Gemisch der beiden Gase und ein Funke oder offenes Feuer. An einer Wasserstofftankstelle ist es kaum möglich, dass so etwas geschieht, da Wasserstoff extrem flüchtig ist und sich seine Konzentration in der Luft nach dem Ausströmen rasch verdünnt.

US-Forscher von der Universität von Miami in Florida haben in Testreihen gezeigt, dass Wasserstoff in einem Fahrzeugtank nicht gefährlicher ist als Benzin. Sie setzten zwei Autos in Brand – eines mit Benzintank, das andere mit Wasserstoff-Drucktank. Beide Treibstofftanks waren undicht. Der Benziner stand nach 60 Sekunden lichterloh in Flammen, der auslaufende Sprit hatte sich schnell im Wagen verteilt. Das Wasserstoffauto hingegen blieb weitgehend unversehrt. Zwar schoss eine gewaltige Stichflamme am Brandherd in die Luft, die jedoch bald wieder erlosch.

Kompakt

· 2015 kommt das erste Serienfahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt.

· Experten glauben aber, dass solche Autos noch lange Nischenprodukte bleiben.

· Das größte Problem: Platin, das in den Zellen nötig ist und sie sehr teuer macht.

Mehr zum Thema

Internet

Portal von Mercedes-Benz zu Brennstoffzellenautos und Elektromobilität: www.fuel-cell-e-mobility.info

Roland-Berger-Studie zu den Aussichten für Brennstoffzellenfahrzeuge (Download als PDF): www.rolandberger.de/medien/publikationen/ 2014–01–1 2-rbsc-pub-Fuel_cells_ Realistic_alternative_for_zero_emission.html

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