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Vor 39.000 Jahren war Schluss

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Vor 39.000 Jahren war Schluss
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Unterkiefer eines Neandertalers, gefunden in Zafaraya in Südspanien (Thomas Higham)
Der letzte Vetter des modernen Menschen gibt bis heute Rätsel auf. Bisher war beispielsweise strittig, wann der Neandertaler genau ausstarb und wie lange er in Europa mit dem Homo sapiens Seite an Seite lebte. Mit Hilfe modernster Datierungsmethoden hat ein internationales Forscherteam nun mehr Klarheit geschaffen. Demnach endete die Ära der Neandertaler in Europa vor rund 41.00 bis 39.000 Jahren. Davor aber lebten Homo sapiens und Neandertaler zwischen 2600 und 5400 Jahre lang gemeinsam in Europa – lange genug also, um voneinander zu lernen und sich miteinander zu kreuzen.

Wir alle tragen ein kleines Stück Neandertaler in uns: Immerhin rund zwei Prozent des Erbguts aller Europäer stammen von ihm. Und sogar einen Teil unseres Aussehens verdanken wir dem ausgestorbenen Vetter des Homo sapiens. Denn wie Forscher Anfang 2014 berichteten, findet sich besonders viel Neandertaler-DNA in den Genregionen, die für unsere Hautfarbe, unsere Haare und einige Merkmale unseres Immunsystems zuständig sind. Dieses Erbe macht aber auch klar, dass unsere Vorfahren und die Neandertaler sich begegnet sein müssen und dass sie lange genug Kontakt hatten, um sich auch gelegentlich miteinander zu kreuzen. „Bisher aber ist nicht klar, wo dies außerhalb Afrikas geschah und ob es einmal oder mehrfach passierte“, erklären Tom Higham von der University of Oxford in England und seine Kollegen. Denn Fundstätten von Neandertaler-Relikten gibt es zwar in Europa reichlich, die Datierungen dieser Überreste waren mit bisherigen Methoden allerdings ungenau und Kontaminationen könnten sie verfälscht haben.

Higham und seine Kollegen haben daher Proben aus 40 archäologischen Fundstätten in Europa erneut auf ihr Alter hin analysiert. Zu diesen gehören sowohl Relikte der Moustérien-Kultur, die den Neandertalern zugerechnet wird, als auch von drei Übergangskulturen, für die strittig ist, ob sie zu anatomisch modernen Menschen oder Neandertalern gehören. Für die Analysen nutzten die Forscher die Beschleuniger-Massenspektrometrie, die Isotopenverhältnisse von Elementen weitaus genauer messen kann als die klassische Radiokarbonmethode. Aus den insgesamt 196 Messergebnissen rekonstruierten die Wissenschaftler die zeitliche und räumliche Verteilung der Steinzeitkulturen und damit auch den Zeitpunkt, an dem die Neandertaler in den verschiedenen Regionen Europas ausstarben.

Kultureller Flickenteppich

Die Rekonstruktion von Higham und seinen Kollegen liefert das bisher genaueste Bild dieser entscheidenden Wende in der europäischen Frühgeschichte. Demnach war Europa bis vor rund 45.000 Jahren das Reich des Neandertalers. Es gab nur wenige kleine und isolierte „Nester“ des Homo sapiens, eine davon im heutigen Italien. Dieses Verhältnis kehrte sich allerdings im Laufe einiger Jahrtausende um: Es dominierte nun der anatomisch moderne Mensch, die Neandertaler bildeten eine Minderheit, die sich zuletzt im Gebiet des heutigen Frankreich konzentrierte – und starben schließlich ganz aus. „Die letzten Neandertaler überlebten nicht länger als bis vor 41.000 bis 39.000 Jahren“, berichten die Forscher.

Die neue Datierung widerlegt allerdings die Annahme, dass es im Süden der Iberischen Halbinsel ein Refugium gab, in dem Neandertaler deutlich länger überlebten als ihre Artgenossen weiter im Norden. Nach Angaben von Higham und seinen Kollegen sind auch diese Relikte nicht jünger als 39.000 Jahre. Stattdessen sei es offensichtlich, dass vorherige Datierungen das echte Alter dieser Überreste unterschätzt hätten, so die Wissenschaftler.

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Die Rekonstruktion dieser urzeitlichen Zeitenwende belegt aber auch, dass es eine Übergangszeit gab, in der beide Menschenarten in Europa nebeneinander vorkamen. Je nach Region dauerte diese Überlappungsperiode zwischen 2600 und 5400 Jahren, wie die Forscher berichten. Das aber bedeutet, dass beide Menschentypen 25 bis 250 Generationen lang Zeit hatten, um miteinander in Kontakt zu treten, Kulturtechniken voneinander zu lernen und auch, mit Angehörigen der jeweils anderen Menschenart Nachkommen zu zeugen. Der Übergang war damit kein klarer Schnitt, sondern ähnelte über tausende Jahre einem komplexen biologischen und kulturellen Flickenteppich mit viel Raum zur Vermischung und zum Austausch.

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Ein Video veranschaulicht die Ergebnisse der Forscher. Beschreibung in Englisch.

 

Quelle: Thomas Higham (University of Oxford) et al., Nature, doi: 10.1038/nature13621

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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