Es ist bereits bekannt, dass Substanzen, die von bestimmten Geweben oder Krankheitserregern freigesetzt werden, mobilen Zellen als Wegweiser dienen. Sie setzen in ihnen Veränderungen des sogenannten Zytoskeletts in Gang, die für die gerichtete Bewegung verantwortlich sind. Ein Video der Forscher verdeutlicht, wie zielstrebig sich Zellen auf eine Quelle von Signalstoffen zubewegen können. Doch zu den Details dieses Mechanismus gibt es noch viele offene Fragen. Die Forscher um Peter Devreotes von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore haben für ihre Untersuchungen ein System entwickelt, das präzise Einblicke in die Reaktionen und den Bewegungsapparat der Zellen ermöglicht. Auf diese Weise untersuchten sie das Verhalten von Amöben und menschlichen weißen Blutkörperchen.
Es war bereits klar, dass die Winzlinge dem Konzentrationsgefälle von Lockstoffen folgen, um zu deren Quelle zu gelangen. “Die Zellen erkennen noch Konzentrationsunterschiede von zwei Prozent”, sagt Devreotes. Die Forscher konnten nun zeigen, dass die Wahrnehmung des Konzentrationsgradienten auf einem zweistufigen Prozess beruht. Die Zelle stimmt sich demnach erst auf die Konzentrationen von Signalstoffen in ihrer Umgebung ein. „Diejenige Seite, die weniger von dem Signalstoff abbekommt, hört dann auf, auf ihn zu reagieren”, erklärt Co-Autor Chuan-Hsiang Huang. Nun konzentriert sich das Kontrollzentrum der Zelle bei seiner Koordination des Bewegungsapparates nur noch auf die dem Signalstoff zugewandte Seite, so die Forscher. So wabert sie schließlich langsam auf dessen Quelle zu.
Dem Bewegungsapparat auf der Spur
Eine weitere Unklarheit im Rahmen dieses Prozesses war bisher, welche Rolle genau das Zytoskelett bei der Wahrnehmung von Signalstoffen spielt. Diese Struktur bildet innerhalb der Zelle ein Netzwerk aus dünnen, dynamischen Protein-Fäden. Das Zytoskelett ist verantwortlich für die Stabilisierung der Zelle, ihre äußere Form, innere Transportprozesse aber eben auch für die Bewegungen der Zelle als Ganzes. Die Forscher der Johns Hopkins University blockierten nun mit bestimmten Wirkstoffen die Beweglichkeit des Zytoskeletts – sie froren es gleichsam ein. Ihren Untersuchungen zufolge zeigte das Kontrollzentrum der Zellen jedoch immer noch Reaktionen, wenn ein Konzentrationsgradient des Signalstoffes in der Umgebung vorlag. Entfernten die Wissenschaftler das Zytoskelett jedoch komplett, blieben diese Reaktionen aus. Daraus schließen sie: Das Netzwerk ist an der Wahrnehmung des Konzentrationsgradient beteiligt, diese Fähigkeit ist aber nicht von seiner Beweglichkeit abhängig.
Die Ergebnisse der Studie tragen nun zum besseren Verständnis der Mechanismen bei der Zellmigration bei, sagen die Forscher. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Beitrag zur Grundlagenforschung, auch die medizinische Forschung kann profitieren. Denn wandernde Zellen sind an fundamentalen Prozessen im Körper beteiligt, betonen die Forscher.