Genetische Untersuchungen zur Geschichte der Domestikation sind im Fall des Pferdes problematisch: Die ursprüngliche Wildform gibt es nicht mehr – sie verschwand nachdem der Mensch das Pferd einst zum Nutztier gemacht hatte. Die einzige noch existierende Wildpferdeart ist das sogenannte Przewalski-Pferd. Es gilt allerdings nicht als direkter Vorfahre des Hauspferdes. Die Forscher um Ludovic Orlando von der University of Copenhagen fanden aber dennoch eine Möglichkeit des direkten genetischen Vergleichs: nämlich durch die Sequenzierung uralten Genmaterials.
Wildpferd-Überreste aus Permafrostböden
Die Wildpferde, von denen es stammte, haben bereits vor 16.000 beziehungsweise 43.000 Jahren ihr Leben ausgehaucht – also lange vor dem Einfluss des Menschen. Die Umstände ihres Todes wurden zum Glücksfall für die Wissenschaft: Die Tiere waren auf eisigem Grund gestorben – der Permafrostboden des nördlichen Russlands konservierte ihre Körper. So gelangten die Forscher letztlich zu den kostbaren Gewebeproben für ihre DNA-Analysen. Sie entlocktem dem uralten Material auch tatsächlich erfolgreich Erbgut und sequenzierten es. Mit diesem Schatz konnten sie dann der Frage nachgehen: Welche Gene haben sich in der 5.500 Jahre langen Domestikationsgeschichte verändert?
Die Vergleiche der Gensequenzen mit denen von sieben Hauspferdereassen und dem des Przewalski-Pferdes zeigten zunächst: Mit letzterem stimmte das Erbgut der prähistorischen Gäule offenbar deutlich weniger überein als mit unseren gesattelten Versionen. Das legt nahe: Die Pferdepopulation, zu denen die untersuchten Exemplare aus dem Permafrost gehörten, bildeten zumindest teilweise die Ahnen der heutigen Hauspferde.
Genetische Veränderungen machten zahm
Den weiteren Analysen zufolge spiegelt sich die Zuchtauswahl durch den Menschen in interessanten genetischen Veränderungen wider. Es handelt sich dabei um Gene, die eine Rolle bei der Motorik und Leistung der Tiere eine Rolle spielen. Darin wird deutlich, wie der Mensch die körperlichen Eigenschaften der Pferde für seine Zwecke optimierte. Darüber hinaus wird der Zähmungsprozess offenbar an Genveränderungen deutlich, die Erbanlagen betrafen, die mit dem Verhalten zu tun haben: Lernfähigkeit, Angstreaktionen und Sozialverhalten. Sie machten die eigentlich scheuen Wesen für den Menschen besser zugänglich, sagen die Forscher.
Bei den Erbgutvergleichen wurde ihnen zufolge auch ein eher ungünstiger Faktor deutlich, der sich im Verlauf der Pferde-Domestikation eingeschlichen hat: Inzucht. Dadurch häuften sich im Erbgut der Hauspferde genetische Mutationen an, die sich unter bestimmten Umständen negativ bemerkbar machen können. Dieser Effekt ist bereits von anderen Haustierarten und auch Kulturpflanzen bekannt.
Die aktuellen Ergebnissen bieten nun erste Einblicke, was im Rahmen der Pferdedomestikation auf genetischer Ebene vor sich ging, resümieren die Forscher. „Unsere Arbeit belegt, dass auch uralte Genome Informationen über die komplexen Veränderungen geben können, die einst wilde Tiere in Haustier verwandelt haben“, schreiben Ludovic Orlando und seinen Kollegen.