Damit die Informationen der Erbmoleküle DNA oder RNA abgelesen werden können, müssen die Stränge dieser Moleküle möglichst frei zugänglich sein. Sind sie verknotet, ist das erschwert. Trotzdem haben Studien gezeigt, dass beispielsweise die DNA von Viren sich durchaus verknotet, solange sie noch in der Virushülle eingepackt ist. Auch Proteine, deren dreidimensionale Struktur für ihre Funktion wesentlich ist, bilden häufig Knoten. „Ihre Komplexität reicht von einfachen Kleeblattschlingen bis zu Knoten mit sechs Kreuzungen“, erklären Cristian Micheletti von der International School of Advanced Studies (SISSA) in Triest und seine Kollegen.
Offen blieb aber bisher die Frage, ob auch das dritte wichtige Molekül des Lebens, die RNA, Knoten bildet oder nicht. Micheletti und seine Kollegen haben dies nun überprüft, indem sie die Strukturen von 5,466 RNA-Varianten analysierten, die in der internationalen Protein Datenbank (PDB) eingetragen sind. Diese Datenbank dient Molekularbiologen und Biochemikern als Referenz für alle bekannten Proteine, DNA- und RNA-Moleküle.
Keine Knoten weit und breit
Das Ergebnis war überraschend: „Wir haben erwartet, dass sich dieses lange, flexible Molekül wie die anderen verhält – und wie DNA oder Proteine mit einer bestimmten Häufigkeit Knoten bildet“, berichten die Forscher. Doch dies war nicht der Fall: „Unter knapp 6.000 bekannten RNA-Strukturen fanden wir nur drei Fälle von vermuteten Knoten“, so die Forscher. Das sei ein absolut vernachlässigbar kleiner Anteil, sowohl absolut gesehen als auch im Vergleich zu DNA und Proteinen. Und selbst die drei entdeckten Knoten sind möglicherweise erst durch nachträgliche Veränderungen während des Gefriertrocknens der Proben zustande gekommen, vermuten die Wissenschaftler. „Die RNA scheint demnach unter den verschiedenen Strängen des Lebens der einzige zu sein, bei dem echte Knoten extrem selten sind“, konstatieren Micheletti und seine Kollegen. Die natürlich vorkommende RNA ist offenbar ein Molekültyp, der bevorzugt einfache, unverknotete Konfigurationen bildet.
Warum die RNA so knotenresistent ist, könnte mehrere Gründe haben, wie die Forscher erklären. Zum einen sind lange RNA-Stränge oft aus kleineren Untereinheiten zusammengefügt, die unabhängig voneinander gefaltet sind. Durch diesen modularen Aufbau sinkt die Gefahr für eine ungeregelte Knotenbildung. Zum anderen deutet einiges darauf hin, dass das molekulare Rückgrat der RNA sich gezielt auf eine simple und möglichst einfach zu entwirrende Struktur hin entwickelt hat. Denn in den Zellen der meisten Organismen dient die RNA als Transportmolekül, um die Erbinformation aus dem Zellkern zu den Ribosomen, den Proteinfabriken der Zelle, zu transportieren. „Eine simple Form gewährleistet dort ein reibungsloses Ablesen durch die molekulare Maschinerie, jeder Knoten würde diesen Prozess negativ beeinflussen“, erklärt Koautor Marco Di Stefano von der SISSA. Was genau die RNA so unverknotbar macht, wollen die Forscher nun in ihrer weiteren Arbeit herausfinden.