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Schimpansen: Neue Gefährten, neue Laute

Erde|Umwelt

Schimpansen: Neue Gefährten, neue Laute
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Florian Möllers / Katie Slocombe
Schimpansen verständigen sich neben ihrer ausgeprägten Zeichensprache auch über Laute. Sie verwenden zum Beispiel spezifische Grunzlaute, um bestimmte Arten von Nahrung zu benennen – jedes Individuum einer Gruppe erkennt diese genau. Anders als bisher gedacht, können die Tiere diese sogenannten Referenzlaute auch modifizieren: Als eine Gruppe niederländischer Schimpansen mit einer Gruppe im Edinburgh Zoo zusammengeführt wurde, passten die Tiere mit der Zeit ihre Laute an die ihrer neuen Gefährten an.

Die Fähigkeit, sich mithilfe von sozial erlernten Symbolen oder Begriffen auf Objekte in der Umgebung zu beziehen, galt bisher als Alleinstellungsmerkmal der menschlichen Sprache. Der etablierten Lehrmeinung zufolge ist nur der Mensch dazu in der Lage, seine Sprache an ein soziales Umfeld anzupassen – also sich etwa im Büro anders auszudrücken als zuhause bei der Familie oder in bestimmten Freundeskreisen. Schimpansen dagegen hielten Wissenschaftler bis dato für weniger flexibel. Die akustische Struktur ihrer Rufe schien unveränderlich. Es galt: Ein Schimpanse, der Äpfel sieht, wird jedes Mal denselben Grunzlaut verwenden, um die anderen Gruppenmitglieder über das Nahrungsangebot zu informieren – mit einer Ausnahme: Je nach Erregungszustand des Tieres klingen die Laute anders. So drücken die Tiere beispielsweise ihre Freude über das Lieblingsfutter aus.

Doch nun zeigen Forscher erstmals, dass das so nicht stimmt. Offensichtlich können Schimpansen sehr wohl ihre Rufe verändern, wenn sie mit einer neuen sozialen Gruppe in Kontakt kommen. „Unsere Studie macht deutlich, dass die Tiere ihre Laute so modifizieren, dass sie denen ihrer neuen Gefährten ähneln“, konstatiert Mitautorin Katie Slocombe von der University of York. Ihre  Ergebnisse haben die Wissenschaftler nun im Fachblatt Current Biology veröffentlicht.

Äpfel klingen jetzt anders

Anlass der Beobachtung war die Zusammenführung zweier Schimpansen-Gruppen im Edinburgh Zoo. Im Jahr 2010 wurden sieben erwachsene Tiere aus dem niederländischen Beekse Bergen Safari Park mit der in Edinburgh beheimateten Gruppe vereint. Wie es klingt, wenn die einzelnen Tiere Nahrung benennen, nahmen die Forscher sowohl vor der Zusammenführung auf, als auch ein Jahr und schließlich drei Jahre später. Es zeigte sich: Im Laufe der Jahre glichen sich die Grunzlaute beider Gruppen immer mehr an. Je besser sich die Tiere kennenlernten und je engere Beziehungen sich zwischen den ursprünglich getrennten Gruppen bildeten, desto ähnlicher klangen die Futterrufe. Nach drei Jahren hatten die Schimpansen aus den Niederlanden einen neuen Laut für Äpfel gelernt. Dieser ähnelte stark dem Laut, den die schottischen Individuen benutzen und hatte nachweislich nichts mit individueller Nahrungspräferenz zu tun. Die Neulinge hatten sozusagen das sprachliche Lokalkolorit übernommen.

Gleicher evolutionärer Ursprung?

Damit liefert das Wissenschaftlerteam einen einmaligen Nachweis: Zum allerersten Mal belegen sie, dass nicht-menschliche Tiere aktiv Sprache verändern und sich durch soziales Lernen neue akustische Signalstrukturen von Artgenossen aneignen. Diesen Fähigkeiten von Menschen und Schimpansen liegt sehr wahrscheinlich derselbe evolutionäre Ursprung zugrunde, so die Theorie der Forscher. Demnach verfügte vermutlich schon der letzte gemeinsame Vorfahre von Mensch und Schimpanse über diesen Baustein der Sprache.

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Warum sich die Schimpansen nach und nach sprachlich an ihr neues Umfeld angepasst haben, können die Forscher nicht sicher sagen. „Es wäre sehr spannend herauszufinden, welche Motivation dahinter steckt“, so Mitautor Simon Townsend von der Universität Zürich. „Ist es, damit sie besser verstanden werden? Oder wollen sie einfach wie ihre Freunde klingen?“ In zukünftigen Studien wollen die Forscher diesen Fragen nachgehen. Außerdem wollen sie auch wildlebende Schimpansen-Gemeinschaften beobachten, um herauszufinden, ob und wie sich Futter-Grunzlaute verändern, wenn zum Beispiel neue Weibchen zu einer Gruppe stoßen. Die verlassen nämlich ihre Geburtsgruppe, sobald sie erwachsen sind.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Daniela Albat
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