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Scheinbar paradoxer Fund: Kultur-Weizen vor Beginn des Ackerbaus

Geschichte|Archäologie

Scheinbar paradoxer Fund: Kultur-Weizen vor Beginn des Ackerbaus
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Credit: Thinkstock
Weizen stand lange nicht auf dem Menüplan der frühen Briten – so dachte man bisher – denn der Ackerbau hielt bei ihnen nachweislich erst vor etwa 6.000 Jahren Einzug. Doch nun haben Forscher dazu eine paradox erscheinende Entdeckung gemacht: Sie fanden an einer 8.000 Jahre alten archäologischen Fundstätte Spuren von Kulturweizen. Allerdings entdeckten sie keinen Pollen der Pflanze, was den Anbau dokumentiert hätte. Die Erklärung: Lange bevor die frühen Briten Weizen selber anbauten, wurde er aus den bereits landwirtschaftlich geprägten Regionen Südosteuropas importiert.

Experten gehen heute davon aus, dass sich der Ackerbau in der Jungsteinzeit langsam vom nahen Osten bis nach West- und Nordeuropa ausgebreitet hat. Während sich die Menschen im heutigen Anatolien bereits zu Bauern entwickelt hatten, setzte sich die Landwirtschaft erst vor 8.000 bis 9.000 Jahren im Gebiet des Balkans durch. Von hier aus breitete sich die neue Lebensweise dann langsam immer weiter aus und erreichte schließlich das Rheinland und das heutige Westfrankreich vor etwa 7.500 Jahren. Die Menschen des heutigen Großbritannien blieben hingegen noch vergleichsweise lange Jäger und Sammler: Der Ackerbau gelangte erst vor rund 6.000 Jahren hierher, belegen Funde.

Weizen aber keine Spuren des Anbaus

Die Forscher um Oliver Smith von der University of Warwick in Coventry haben im Rahmen ihrer Studie Untersuchungen an einer archäologischen Fundstätte durchgeführt, die unter dem Wasserspiegel nahe der Insel Isle of Wight liegt. Der entsprechende Region war einst Teil des Festlands und wurde erst vor rund 8.000 Jahren im Zuge des steigenden Meeresspiegels überflutet. Frühere Untersuchungen hatten bereits belegt, dass hier einst Menschen lebten. Den feineren Geheimnissen dieses Fundortes sind Smith und seine Kollegen nun mittels Verfahren der Gentechnik nachgegangen: Sie stöberten in Material aus Bohrkernen der Sedimente am Fundort nach archäologisch interessantem Erbgut – und sie wurden fündig. Die Forscher entdeckten in dem 8.000 Jahre alten Material Erbgutfragmente, die offenbar eindeutig von frühen Kultur-Weizenlinien stammten. Spuren von Pollen dieser Pflanzen oder andere Hinweise darauf, dass es Weizenanbau vor Ort gegeben haben könnte, fanden sie hingegen nicht.

Getreide-Fernhandel im steinzeitlichen Europa

Da auch alle bisherigen Funde stets belegt haben, dass sich der Ackerbau erst vor 6.000 Jahren im heutigen Großbritannien durchsetzte, kommen die Forscher zu dem Schluss: Die Jäger und Sammler besaßen vor 8.000 Jahren Handelsverbindungen, die bis in die bereits landwirtschaftlich geprägten Gebiete Europas reichten. Dies war möglich, da es zu dieser Zeit noch schmale Landbrücken zum Kontinent gab. Mit anderen Worten: Vermutlich  gab es Getreide-Fernhandel im steinzeitlichen Europa, der die frühen Briten mit Weizen belieferte. Die Detailergebnisse der Forscher legen zudem nahe, dass der Verbrauch des importierten Weizens über die Zeit hinweg zunahm: Sie fanden in den jüngeren Schichten mehr Spuren von Weizen als in älteren.
Die aktuelle Studie wirft nun ein neues Licht auf das Ausmaß der Beziehungen zwischen Jägern und Sammlern und den frühen Bauern Europas, schreibt Greger Larson von der University of Oxford in einem Begleitartikel zur Studie. Ihm zufolge sollten nun weitere Untersuchungen dieser Art genauer aufdecken, wie sich Verbreitung und Handel von bestimmten Kulturpflanzen und Nutztieren in der Jungsteinzeit entwickelt haben.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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