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Bewaffnete Schimpansendamen

Erde|Umwelt

Bewaffnete Schimpansendamen
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Schimpansen nutzen zwar Werkzeuge,bei der Jagd sind diese aber bisher nur von den Fongoli-Schimpansen bekannt (Vincent St.Thomas, thinkstock)
Die Jagd gilt als Männersache – schließlich sind bei vielen Naturvölkern und auch bei unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, die Männer diejenigen, die Beute jagen. Aber eine Schimpansengruppe im Senegal wirft nun ein ganz neues Licht auf diese vermeintlich männliche Tradition. Denn dort beteiligen sich die Weibchen nicht nur aktiv an der Jagd, sie sind es auch, die Werkzeuge benutzen, um ihre Beute aufzuscheuchen. Diese Fertigkeit wurde bisher bei keiner anderen Schimpansengruppe beobachtet. Sie könnte aber wertvolle Erkenntnisse über unsere Vorfahren liefern.

Lange Zeit galten Schimpansen als reine Pflanzenfresser. Denn bei Freiland-Beobachtungen sah man sie meist Nüsse, Früchte oder Blätter sammeln und kauen. Anfang der 1960er Jahre aber änderte sich das Bild: Die Schimpansenforscherin Jane Goodall fand heraus, dass die Menschenaffen auch auf die Jagd gehen und dabei sogar andere Affen erlegen und fressen. Inzwischen ist klar, dass diese Jagd fester Bestandteil ihrer Lebensweise ist: “Schimpansen jagen und teilen das erlegte Fleisch an jedem Standort, an dem man diese Menschenaffen bisher über längere Zeit hinweg untersucht hat”, erklären Jill Pruetz von der Iowa State University in Ames und ihre Kollegen. “Wie beim Menschen zeigen die Schimpansen dabei geschlechtsspezifische Unterschiede – Männchen jagen mehr als Weibchen.” Deshalb gehen die meisten Anthropologen davon aus, dass auch bei unseren fernen Vorfahren die Jagd Männersache gewesen sein muss. Doch Beobachtungen von Pruetz und ihre Kollegen im Senegal wecken daran nun Zweifel.

Für ihre Studie werteten die Forscher Langzeit-Beobachtungen aus, die sie von 2005 bis 2014 an Schimpansen der Fongoli-Gemeinschaft gemacht haben. Diese Schimpansengruppe lebt im Südosten Senegals in einem Lebensraum, der in vieler Hinsicht dem unserer fernen Vorfahren gleicht: In diesem Gebiet geht Wald in Savanne über und bildet ein Mosaik aus Waldstücken, offenen Grasflächen, Bambushainen und Waldsavanne. Und noch eine Besonderheit hat diese Schimpansengruppe: “Sie ist die einzige nichtmenschliche Primaten-Population, die systematisch Beute mit Hilfe von Werkzeugen jagt”, berichten die Forscher. Die Menschenaffen brechen gezielt Äste ab, um damit Senegal-Galagos (Galago senegalensis) aus ihren Baumhöhlen oder Nestern zu treiben und sie dann zu töten. Pruetz und ihre Kollegen haben nun erstmals untersucht, ob und wie oft auch Schimpansenweibchen diese Jagdtechnik nutzen.

Die Damen jagen mit dem Stock

Das erstaunliche Ergebnis: Die Schimpansendamen beteiligten sich nicht nur an der Jagd, sie nutzen dabei auch deutlich häufiger Werkzeuge als die Männchen, wie die Forscher berichten. Von den 308 beobachteten Stockeinsätzen waren es 175 Mal die Weibchen, die ihre Beute mit Ästen aus dem Versteck trieben. “Angesichts der verbreiteten Ansicht, dass adulte Männchen die Hauptjäger bei den Schimpansen sind, ist dieses Verhaltensmuster verblüffend”, so die Forscher. Andererseits wisse man aus früheren Beobachtungen, dass bei Schimpansen und Bonobos die Nutzung von Werkzeugen beispielsweise zum Nüsseknacken, oft Frauensache sei. Unter den zehn besten Jägern der Fongoli-Schimpansen waren – möglicherweise dank ihrer raffinierten Stocktechnik – sogar zwei Weibchen, wie Pruetz und ihre Kollegen berichten. Die Männchen waren dagegen eher Nutznießer dieses Verhaltens: War der Galago einmal aufgescheucht, verfolgten und erlegten sie ihn.

“Das Verhalten dieser Schimpansen belegt, dass die Jagd bei unseren engsten Verwandten weniger eine Männersache ist als bisher angenommen”, konstatieren Pruetz und ihre Kollegen. Das könnte auch wertvolle Rückschlüsse auf unsere fernen Vorfahren erlauben. Denn diese lebten und jagten in savannenähnlichen Gebieten ähnlich wie die Fongoli-Schimpansen. “Möglicherweise war die Savannen-Umgebung auch bei ihnen eine Art Katalysator für das Werkzeug-gestützte Jagen”, so die Forscher.” Denn während es im Wald genügend andere Beute gibt, für die man keine Werkzeuge benötigt, steigern die Stöcke den Jagderfolg bei den in der Savanne häufigen Galagos sehr wohl. “Auch die frühen Hominiden könnten daher Werkzeuge entwickelt haben, um Nachteile ihrer Umwelt auszugleichen”, mutmaßen die Forscher. Und weil mit solchen Werkzeugen die geringere Kraft und Größe der Frauen keine Rolle spielte,  könnten auch bei unseren Vorfahren durchaus Frauen an der Jagd teilgenommen haben.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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