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Feurige Jets

Astronomie|Physik

Feurige Jets
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Elektronenstrahlen schießen 100000 Lichtjahre weit ins All. Schwarze Löcher verschlingen nicht nur Gas und Sterne, sondern beschleunigen auch Partikel in ihrer Umgebung bis fast auf Lichtgeschwindigkeit. Denn Magnetfelder werden wie Spaghetti verdrillt und ragen als Teilchenautobahnen ins All hinaus.

Bereits Ende der siebziger Jahre hatten Roger Blandford vom Caltech in Pasadena und Martin Rees von der Cambridge University ein Modell zur Entstehung solcher Jets entwickelt. Es gilt in seinen Grundzügen noch heute: Das Schwarze Loch zieht Materie aus der Umgebung an, die jedoch nicht sofort von ihm verschluckt wird, sondern sich zunächst in einer rotierenden Scheibe sammelt. Nur senkrecht dazu kann Materie entweichen – der eine Strahl schießt oberhalb, der andere unterhalb der Scheibe ins All.
Dieses „Doppelauspuff-Modell“ hat vielen Forschern sofort eingeleuchtet. Doch wichtige Fragen blieben offen: Warum fliegt das Gas vom Schwarzen Loch fort, wenn dieses doch alles verschluckt? Warum bleiben Jets teilweise über Millionen von Lichtjahren hinweg gebündelt? Woraus bestehen sie? Die Magnetfelder ragen parallel zu den Jets in den Weltraum. Dabei werden sie in der Scheibe des Schwarzen Lochs „eingefroren“, wie die Astrophysiker sagen. Dies geschieht, wenn das Gas so heiß ist, daß die Atome in ihre elektrisch geladenen Bestandteile zerfallen: Elektronen und Protonen. Dann „klammern“ sich die Partikel an das Magnetfeld, und in der rotierenden Scheibe werden die Feldlinien wie Nudeln in einem Rührteig mitgezogen. Dabei verdrillen sich die Linien, reißen auf und vereinigen sich neu. Dieses komplizierte Wechselspiel führt dazu, daß die Linien wie Spaghettis senkrecht zur Scheibe in den Weltraum hinausragen und den Teilchen den Weg weisen.
Über die Ursache der Magnetfelder in den Zentren der Jet-Galaxien rätseln die Astrophysiker noch. Die Schwarzen Löcher selbst erzeugen sie nicht. Das könnten sie nur, wenn sie elektrisch geladen wären, was derzeit als ausgeschlossen gilt. Doch Spiralgalaxien sind von ausgedehnten, schwachen Magnetfeldern durchzogen. Diese werden von den Gasscheiben der Schwarzen Löcher eingefangen und durch die Rotation verdichtet und verstärkt. Daß es überhaupt in den Galaxien – auch in unserer Milchstraße – Magnetfelder gibt, liegt vermutlich an heißen Gaswolken aus Protonen und Elektronen. Sie bewegen sich durch die Galaxien und erzeugen so Magnetfelder – ganz ähnlich wie Elektronen in der stromdurchflossenen Spule eines Elektromagneten.
Astrophysiker sind schon lange davon überzeugt, mit Gasscheibe, Schwarzem Loch und Magnetfeld die wesentlichen Zutaten zum Jet-Menü gefunden zu haben. Dennoch blieb ein Problem: In Computersimulationen zur Entstehung der Jets waren die Teilchen immer zu langsam. Zwar läßt sich die Geschwindigkeit der Partikel nicht direkt messen. Indirekte Indizien weisen aber darauf hin, daß sie mit über 95 Prozent der Lichtgeschwindigkeit davonrasen. Es muß also einen Mechanismus geben, der dem kosmischen Beschleuniger den ultimativen Kick gibt. Und den glauben die Theoretiker jetzt gefunden zu haben: die Rotation des Schwarzen Lochs.
Wie das funktioniert, läßt sich nur mit Hilfe der Allgemeinen Relativitätstheorie verstehen. Nach ihr verbiegen massereiche Körper den Raum, ähnlich wie eine Stahlkugel eine Mulde in einem gespannten Tuch erzeugt. Als die beiden österreichischen Physiker Hans Thirring und Joseph Lense sich 1916 mit Einsteins Theorie beschäftigten, entdeckten sie, daß ein rotierender Körper nicht nur den Raum krümmt, sondern ihn um sich herum auch verzerrt, ähnlich wie ein Mixer den Teig.
Bei Schwarzen Löchern führt der Effekt dazu, daß die Magnetfeldlinien zusammen mit der Gasscheibe um den Zentralkörper herumwirbeln. Bei einer Galaxie ließ sich nachweisen, daß der Innenbereich der Scheibe bis zu 80000 Kilometer pro Sekunde schnell rotiert, also mit gut einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit. Derart verdrillte Magnetfelder, das zeigen neue Computersimulationen, sind offenbar in der Lage, elektrisch geladene Teilchen bis auf 98 Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen und in den Jet-Kanal zu schießen.

Dr. Thomas Bührke
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