Als Aurignacien bezeichnen Archäologen eine Kultur, die sich vor etwa 42.000 Jahren in Südwest- und Südzentraleuropa entwickelte. Sie zeichnete sich durch Innovationen bei der Steinbearbeitung und Herstellung von Knochenwerkzeugen aus sowie durch die Verwendung von persönlichen Ornamenten und Schmuck. Nur zwei Fundstätten umfassen allerdings auch menschliche Überreste, die eindeutig dem frühen Aurignacien zugeordnet werden können: In Riparo Bombrini (Westliche Ligurische Alpen, Italien) wurde ein Schneidezahn entdeckt, und in der Grotta di Fumane (Westliche Lessini Berge, Italien), ebenfalls ein oberer Schneidezahn. In beiden Fällen handelte es sich um Milchzähne – von wem sie stammen, blieb aber unklar.
War nur der moderne Mensch innovativ?
Stefano Benazzi von der Universität Bologna und Kollegen vom CNR Institut für Klinische Physiologie in Pisa haben nun digitale Modelle von CT Scans des Zahns aus Riparo Bombrini mit denen von modernen Menschen und Zahnproben von Neandertalern verglichen. Dabei standen vor allem die Merkmale der verschiedenen Zahnkronen, insbesondere die Dicke des Zahnschmelzes, im Fokus. Die Forscher kamen zu dem Fazit: Der Zahn aus Riparo Bombrini saß einst im Gebiss eines modernen Menschen. Die Radiokohlenstoff-Datierung des Fundes bestätigte zudem ein Alter von etwa 40.000 Jahren.
Hinweise zum Verschwinden der Neandertaler
Bei den Besitzern der Zähne handelt es sich damit nun um die ältesten bisher bekannten modernen Menschen, die der archäologischen Kultur des Aurignaciens angehörten, sagen die Forscher. „Diese Zuordnung von Überresten moderner Menschen zum Protoaurignacien unterstützt die Annahme, dass die Ankunft von Homo sapiens auf dem Kontinent den Untergang der Neandertaler, die einige Tausend Jahre später verschwanden, ausgelöst hat“, resümiert Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie die Bedeutung des Ergebnisses.