Bei der Studie der Forscher um Ream Al-Hasani von der Washington University in St. Louis kamen Verfahren der sogenannten Optogenetik zum Einsatz. Bei den Versuchstieren handelte es sich um Mäuse einer genetisch veränderten Zuchtlinie, deren Nerven auf Lichtreizungen reagieren. Über feine Elektroden im Gehirn der Tiere waren die Forscher dadurch in der Lage, bestimmte Nervenbahnen gezielt zu reizen. Dies ermöglichte Rückschlüsse, welche Funktionen ihnen bei Empfindungen und Reaktionen zukommen.
Licht schaltet Nerven an
Die Licht-Aktivatoren saßen bei den Versuchstieren in dem Hirnbereich Nucleus accumbens, der bekanntermaßen eine Rolle bei Depressionen und Suchterkrankungen spielt. Der Fokus der Forscher richtete sich hier auf eine bestimmte Art von Nerven:
Sie untersuchten Neuronen, welche die sogenannten Kappa-Opioid-Rezeptoren aktivieren, die in viele Suchterkrankungen involviert sind – beispielsweise bei Abhängigkeit gegenüber Alkohol, Nikotin, Heroin und so weiter.
Bei ihren Experimenten ließen die Forscher die Versuchstiere durch Systeme aus Gängen laufen. An bestimmten Stellen des Parcours aktivierten sie dann durch Licht die Nervenzellen im Gehirn der Mäuse. Dadurch lösten sie zunächst ein Belohnungsgefühl bei ihnen aus, was sich daran zeigte, dass die Mäuse anschließend immer wieder zielstrebig zu den Belohnungsstellen liefen. Doch als die Forscher die Aktivierungsziele im Gehirn der Tiere nur geringfügig verschoben, verzeichneten sie einen gegenteiligen Effekt: Nun mieden die Mäuse die Aktivierungsorte – offenbar hatte der Reiz ihnen nun ein unangenehmes Gefühl verpasst.
Doppelwirkung könnte Null-Effekt verursachen
Bruchas und seine Kollegen schließen daraus, dass es sich bei diesen gegenteiligen Funktionen um kritische Nachbarn handelt. „Wir waren überrascht, dass die Aktivierung der gleichen Arten von Rezeptoren auf den gleichen Zellentypen in der selben Region des Gehirns unterschiedliche Reaktionen hervorrufen konnte“, sagt Al-Hasani. Den Forschern zufolge könnte dies erklären, warum medikamentöse Behandlungen bei manchen Menschen nicht anschlagen – sie könnten bei ihnen demnach beide Effekte gleichzeitig auslösen, wodurch sie sich gegenseitig aufheben. Möglicherweise hat die enge Verknüpfung zwischen Genuss und unangenehmen Gefühlen auch mit den berüchtigten Sucht-Effekten von Drogen zu tun: Sie erzeugen vorübergehend ein Belohnungs-Gefühl im Gehirn – sobald die Wirkung aber nachlässt, entsteht ein unangenehmes Gefühl, das den Drang nach mehr Drogen hervorruft.
Den Forschern zufolge könnte in den aktuellen Ergebnissen nun großes Potenzial stecken: „Durch mehr Verständnis, wie diese Systeme funktionieren, könnten wir besser wirkende Therapieformen bei Problematiken entwickeln, die mit Belohnungs- und Aversions-Reaktionen zu tun haben – so wie bei Suchterkrankungen oder Depressionen“, sagt Al-Hasani.