Kein anderes Reptil ist so gut an ein Leben in den Baumkronen angepasst wie das Chamäleon: Seine zangenähnlich geformten Greiffüße ermöglichen präzises und sicheres Klettern auf Ästen. Schon auf den ersten Blick sehen diese Kletterwerkzeuge besonders aus: An den vorderen Extremitäten zeigen zwei Zehen nach außen und drei nach innen, an den hinteren Füßen dagegen drei nach außen und zwei nach innen. Ähnlich wie bei Entenfüßen und Fledermausflügeln sind die Zehen einer Seite jeweils über verbindendes Gewebe miteinander verwachsen. Bei der Fortbewegung umklammern Chamäleons einzelne Äste mit ihren Zangenfüßen – im Gegensatz zu anderen Echsenarten, die meist auf haltgebende Krallen setzen.
Um mehr über diese außergewöhnliche anatomische Anpassung zu erfahren, hat ein US-amerikanisches Forscherteam nun Embryos des Jemenchamäleons Chamaeleo calyptratus untersucht. Da die Embryos dieser Art sehr langsam wachsen, konnten die Wissenschaftler um Raul Diaz von der La Sierra University die Entwicklung von Füßen und Gliedmaßen im Detail verfolgen. Zum Vergleich schauten sie sich zudem die Embryonalentwicklung von acht weiteren Chamäleon- sowie zwei anderen Echsenarten an: „Was wir bisher über die Entwicklung von Wirbeltieren wissen, stammt größtenteils von Zebrafischen, Fröschen, Hühnern, Mäusen und Menschen“, sagt Diaz. „Wir wollten nun verstehen, wie der einzigartige Körper von Chamäleons entsteht.“ Ihre Beobachtungen haben die Forscher im Fachjournal BMC Evolutionary Biology veröffentlicht.
Vom Boden auf die Bäume
Damit die speziell geformten Chamäleonfüße entstehen können, ist demzufolge ein Umbau der Skelettstruktur nötig: Dabei entsteht ein Kugelgelenk, ähnlich etwa dem menschlichen Schultergelenk. Durch seine Geometrie ist ein Kugelgelenk prinzipiell in alle Richtungen beweglich. Chamäleons gibt es auf diese Weise mehr Flexibilität beim Klettern.
Die Wissenschaftler konnten zudem zeigen, dass sich diese Fähigkeit im Laufe der Evolution der verschiedenen Arten immer weiter verbessert hat. Die größeren, später entstandenen Chamäleonarten bewohnen hauptsächlich hohe Bäume und sind durch ihre Gelenkstruktur perfekt an diese Lebensweise angepasst: Sie verfügen über bis zu acht einzelne Skelettkomponenten in den Fußgelenken, die kleineren älteren Arten dagegen nur über vier. Mehr einzelne Gelenkteile könnten laut den Forschern eine größere Beugung ermöglicht und einen biomechanischen Vorteil bedeutet haben. Ausgestattet mit dieser Anatomie konnten spätere Arten dann die Bäume erobern, während ihre evolutionär älteren Verwandten auch heute noch eher am Boden und in niedrigen Büschen leben.