Erster Reiz macht sensibel beim zweiten wird geschaltet
Geringste Mengen von Duftmolekülen bewirken demnach erst einmal nur eine Sensibilisierung der Duftrezeptoren, ohne dass ein Signal an die Steuersysteme des Insekts gesendet wird. Erst das Auftreffen weiterer Moleküle kurz danach löst die Reaktion aus. Mit anderen Worten: Eine Geruchsstimulierung unterhalb der Reizschwelle erhöht zunächstnur die Aufmerksamkeit des Rezeptorsystems. Kommt innerhalb einer bestimmten Zeitspanne dann ein zweiter Geruchsimpuls hinzu, wird die Nervenaktion ausgelöst: Die Fliege erhält dadurch die Information, dass sich tatsächlich Obst in der Nähe befindet und kann beginnen, ihre Flugrichtung auf das fruchtige Ziel ihrer Begierde auszurichten.
Dieses Funktionsprinzip ähnelt einem Transistor, sagt Wicher: Ein schwacher, elektrischer Basisstrom reicht aus, um den Hauptstrom auszulösen, der dann weitere Prozesse aktiviert. Dies könne auch als eine Art Kurzzeitgedächtnis in der Insektennase betrachtet werden. Ein schwacher Reiz löst zwar beim ersten Mal noch keine Reaktion aus, wiederholt er sich allerdings innerhalb einer bestimmten Zeitspanne, wird eine elektrische Reaktion ausgelöst.
Die Forscher kamen hinter diese Mechanismen mit viel Fingerspitzengefühl: Sie injizierten beispielsweise winzige Mengen von Wirkstoffen direkt in die Sinneshärchen der Insekten, die auf der Fliegenantenne die Riechnerven beherbergen. Dadurch blockierten sie bestimmte Abläufe des Riechmechanismus, um hinter seine Funktionen zu kommen. Als Geruchsstoff diente ein sogenanntes Buttersäureethylester, das einen Ananas-ähnlichen Duft erzeugt. Mithilfe von feinen, aus Glasfasern gefertigten Mikroelektroden erfassten die Wissenschaftler dann die Aktivität der Nervenzellen der winzigen Insekten.