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Der Muskel, der aus der Kälte kam

Erde|Umwelt

Der Muskel, der aus der Kälte kam
Nach einem Marathonlauf in die Sauna, die beanspruchten Muskeln in der Wärme entspannen ? klingt gut, ist möglicherweise aber nicht die beste Option: Wer die Leistungsfähigkeit seines Körpers möglichst schnell wieder auf Hochtouren bringen will, sollte eher die Kältekammer als die Sauna aufsuchen, legt jetzt eine Studie französischer Forscher nahe.

Nahrungsergänzungsmittel, Massagen, Kompressionskleidung, heiße oder kalte Bäder ? es gibt eine ganze Reihe von Tipps, mit denen man angeblich Muskelschäden nach einem exzessiven Training verhindern kann. Auf zwei besonders häufig empfohlene Methoden konzentrierten sich jetzt die Franzosen um den Sportwissenschaftler Christophe Hausswirth vom staatlichen Institut National du Sport, de l’Expertise et de la Performance (INSEP) in Paris: Kälte und Wärme.

Ersteres lässt sich entweder durch Eisbäder und Kühlpackungen lokal anwenden oder aber durch eine Ganzkörperbehandlung in einer Kältekammer, in der die Luft auf minus 110 Grad Celsius abgekühlt wird. Diese Variante wählten die Wissenschaftler auch für ihre Studie. Für die Wärmebehandlung entschieden sie sich für den Einsatz von Infrarotstrahlen, ebenfalls am ganzen Körper, in einer speziellen Kabine.

Warm oder kalt, das ist nicht nur hier die Frage

Ziel der ganzen Aktion war es, zu testen, ob sich stark beanspruchte Muskeln in der Kälte oder in der Wärme schneller erholen ? oder dann, wenn man sie völlig in Ruhe lässt. Dazu rekrutierten die Wissenschaftler neun sehr gut trainierte Läufer, die zwischen vier- und sechsmal pro Woche trainierten und regelmäßig an Langstreckenläufen teilnahmen. Alle Probanden sollten während der Studie dreimal einen sehr anstrengenden Lauf mit simulierten Steigungen und abschüssigen Stücken auf einem Laufband absolvieren, jeweils mit drei Wochen Pause dazwischen.

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Nach jedem Lauf durchlief jeder Teilnehmer eines von drei Erholungsprogrammen: drei Sitzungen á drei Minuten in einer Kältekammer, nur bekleidet mit Badezeug, Socken, Handschuhen, Mundschutz und Stirnband; drei 30-minütige Behandlungen mit Infrarotlicht oder drei ebenfalls 30-minütige Ruhepausen in einem bequemen Liegesessel. Die Behandlungen erfolgten jeweils eine Stunde nach dem Laufprogramm und dann noch einmal nach 24 und 48 Stunden. Jeder Läufer machte im Lauf der Studie jedes der Programme mit.

Gold für die Kältekammer, Silber für die Infrarotkabine

Um das Ausmaß der Muskelschädigung und eine mögliche Besserung messen zu können, nutzten die Wissenschaftler bei allen Tests drei verschiedene Parameter: einen Blutwert, der ansteigt, wenn Muskeln übermäßig beansprucht werden, die maximale Kraft, die ein Muskel leisten kann, und die subjektiv empfundene Belastung, also Schmerzen, Erschöpfungsgefühle und das allgemeine Wohlbefinden.

Ergebnis nach allen drei Tests: Die Kältekammer schnitt am besten ab, gefolgt von der Infrarotkabine. Schlusslicht war die Erholungsphase ohne weitere Maßnahme. Bei der Kältebehandlung sei die maximale Muskelkraft, gemessen am Knie, bereits nach der ersten Sitzung nach einer Stunde wiederhergestellt gewesen, sagen die Forscher ? bei der Infrarotkabine war das erst nach 24 Stunden der Fall und bei der Kontrollbehandlung auch nach 48 Stunden noch nicht. Das persönliche Wohlbefinden der Probanden verbesserte sich nach der Kältekammer ebenfalls schneller, und die Muskeln schmerzten weniger. Allerdings hatte keine einzige der Behandlungen einen Einfluss auf den Blutwert, der die Schädigung der Muskeln anzeigt.

Speziell für gut trainierte Läufer zu empfehlen

Die Studie ist zwar relativ klein, und es wurden nur sehr wenige Probanden getestet. Dennoch kann sie möglicherweise einige Unklarheiten in Bezug auf Kältebehandlungen beseitigen. Denn frühere Untersuchungen hatten zum Teil widersprüchliche Ergebnisse geliefert: Mal war ein positiver Effekt der Abkühlung nachzuweisen, mal nicht. Das könnte an der Auswahl der Teilnehmer gelegen haben, glauben die Franzosen: Im aktuellen Fall seien ausschließlich sehr gut trainierte Probanden angetreten, und hier habe sich ein klarer Vorteil der Kältekammer gezeigt. Allerdings war aufgrund der guten Kondition die Muskelschädigung beziehungsweise der Kraftverlust nach dem Lauf weniger ausgeprägt als in anderen Untersuchungen. Es sei also möglich, dass trainierte Läufer von der Kälte profitieren, diese aber bei Untrainierten nicht ausreicht, um die Schäden an den Muskeln auszugleichen.

Was genau die Abkühlung im Körper bewirkt, ist noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich spielen mehrere Faktoren zusammen, erläutert das Team. Einer der wesentlichsten ist wohl ein Zusammenziehen der Blutgefäße. Dadurch verringert sich die Durchlässigkeit der Gefäßwände, was wiederum das Einströmen von Flüssigkeit vermindert ? es bilden sich weniger Schwellungen in den Muskeln aus, die unter anderem für die Schmerzen und das Erschöpfungsgefühl verantwortlich sind. Zusätzlich bremst die Kälte das Entstehen einer Entzündungsreaktion und scheint auch noch andere Bereiche des Immunsystems positiv zu beeinflussen. Schließlich gebe es auch Berichte, nach denen nach einem Besuch in der Kältekammer die körpereigene Verteidigung gegen die sogenannten freien Radikale hochgefahren wird, sagen die Forscher.

Christophe Hausswirth (INSEP) et al.: PLoS ONE, Bd. 6, Nr. 12, Artikel e27749 © wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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