Video: Faszinierende Fangtechnik in Zeitlupe: Auch das Helmchamäleon ( Trioceros hoehnelii) nahm am Test teil. Credit: Christopher
Anderson Eine buchstäblich bunte Reptilienfamilie: Etwa 200 unterschiedliche Chamäleonarten haben sich Lebensräume von Afrika über Südeuropa bis nach Indien erobert. Unter ihnen gibt es bis zu 70 Zentimeter lange Riesen, aber auch bis zu wenige Zentimeter kleine Winzlinge. Neben ihrer Fähigkeit zum Farbwechsel und ihren seltsam unabhängig voneinander beweglichen Augen sind sie auch für ihre bizarre Jagdmethode berühmt: Sie feuern ihre langen Zungen wie Geschosse auf Beuteinsekten ab, packen sie mit einer Art Greifmechanismus und reißen sie sich dann in den Schlund. Es war bereits bekannt, dass die in den elastischen Muskeln gespeicherte Energie die Zunge dabei enorm beschleunigen kann. Bisher wurde dies aber nur bei einigen größeren Arten untersucht.
Schleuder-Zungen im Vergleich
Christopher Anderson von der Brown University in Providence ist nun der maximalen Leistungsfähigkeit dieses Systems gezielt nachgegangen. Er untersuchte dazu 20 Chamäleonarten aus allen Größenordnungen. Er platzierte die Tiere für die „Zungen-Olympiade“ vor eine Hochgeschwindigkeitskamera, die 3000 Bilder pro Sekunde erfassen kann. Eine Grille diente als Leckerbissen, um die Zungen der Reptilien hervorzulocken. So konnte Anderson feststellen, mit welcher Beschleunigung, Weite und Gesamtleistung sie zuschlagen können.
Es zeigte sich: Je kleiner das Chamäleon, desto höher ist die Zungen-Beschleunigung sowie die Schlagkraft und Zungenlänge im Vergleich zur Körpergröße. Der Rekordhalter war das kleine Stachel-Zwergchamäleon ( Rhampholeon spinosus), das bequem auf einem Daumen sitzen kann. Voll ausgefahren erreicht seine Zunge das 2,5-Fache seiner eigenen Körperlänge von maximal zehn Zentimetern. Das Stachel-Zwergchamäleon schleudert sie mit der 264-fachen Erdbeschleunigung aus seinem winzigen Mäulchen, ergaben die Auswertungen. Die großen Vertreter kommen bei Weitem nicht auf diese Werte: Das Riesenchamäleon ( Furcifer oustaleti) erreicht nur etwa 18 Prozent der Beschleunigungsleistung des winzigen Champions. Seine „Zungenfertigkeit“ ist zudem auch ausgesprochen kraftvoll: Die Gesamtleistung beträgt 14.040 Watt pro Kilogramm, berichtet der Biologe.
Warum kleine Zungen-Champions?
Einer Literaturrecherche von Anderson zufolge besitzt die Zunge des Stachel-Zwergchamäleons nun die größte Beschleunigung, die bei Körperfunktionen von Reptilien, Vögel und Säugetiere bekannt ist. Bei der Gesamtleistung der Zunge in Bezug zur Größe werden die winzigen Chamäleons nur von Salamandern überboten, berichtet der Forscher.
Warum ausgerechnet die kleinen Chamäleons so hohe Leistungen zeigen, hat Anderson zufolge wahrscheinlich energetische Gründe: Kleine Tiere müssen zum Überleben mehr Energie im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht aufnehmen als größere. Deshalb schleudern kleine Chamäleons ihre Zungen besonders schnell und weit, damit ihnen so wenig Beutetiere wie möglich entgehen, erklärt er. „Wer sich für tierische Hochleistungen interessiert, sollte eher bei den Kleinen nachschauen als bei den Großen“, sagt Anderson.