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Tablet gegen Buch: 1:0

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Tablet gegen Buch: 1:0
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Besser als sein Ruf: Zumindest Tablets haben ihren Platz neben gedruckten Büchern redlich verdient. Bild: Thinkstock
In Deutschland ist das Buch ein hohes Kulturgut. Und es ist nach wie vor das beliebteste Medium zum Lesen: Obwohl in Ländern wie Großbritannien und den USA bereits mehr elektronische Bücher verkauft werden als gedruckte Varianten, wählen in Deutschland kaum Leser E-Books. Ihr Hauptargument dafür oder besser dagegen: Auf E-Books ist das Lesen viel anstrengender. Ob das stimmt, haben jetzt Forscher aus Mainz, München und Marburg getestet – mit einem durchaus überraschenden Ergebnis.

Das E-Book hat es schwer im Land der Dichter und Denker. Zwar haben sich die Verkäufe zwischen 2010 und 2011 etwa verdoppelt, insgesamt machen elektronische Bücher jedoch nur ungefähr ein Prozent des gesamten Buchverkaufs aus, wie Franziska Kretzschmar von der Universität in Mainz und ihre Kollegen ausführen. Fragt man die unwilligen Käufer, warum sie sich gegen die E-Books entscheiden, hört man meist folgendes: Die E-Bücher seien zwar praktisch und auch schnell verfügbar, was ein Vorteil sei – das Lesen darin sei aber deutlich beschwerlicher und weniger angenehm als im klassischen Papierbuch.

Mehr Hirnschmalz für Tablet und Co?

Nun ist es ja denkbar, dass die etwas andere Darstellung der Buchstaben auf den E-Book-Readern und Tablet-Computern dem Hirn tatsächlich mehr abverlangt als die gedruckten Lettern. Genauso könnte es jedoch auch sein, dass das subjektive Empfinden nicht die wirklichen Zustände widerspiegelt. So etwas komme durchaus vor, betont das Team. Sollte es also auch im Fall der geschmähten E-Books eine solche Diskrepanz zwischen persönlicher Neigung und faktischem Ressourcenbedarf geben?

Um diese Frage zu beantworten, rekrutierten die Wissenschaftler insgesamt 56 Probanden. 35 von ihnen gehörten der Altersgruppe zwischen 21 und 34 Jahren an, die restlichen waren mit 60 bis 77 Jahren deutlich älter. Alle bekamen jeweils neun kurze Texte zu lesen – drei davon waren wissenschaftliche Ausarbeitungen, drei waren Sachtexte und drei waren fiktive Geschichten. Alle waren etwa gleich lang, waren auf drei Seiten dargestellt und waren in der gleichen Schriftgröße der gleichen Schriftart geschrieben. Präsentiert wurden sie den Probanden in drei Runden, wobei pro Runde immer ein Text von jeder Sorte erfasst war.

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Jeder kommt mal dran

Der einzige Unterschied zwischen den Präsentationen war das Medium: In jeder Runde lasen die Teilnehmer einen Text auf Papier, einen auf einem Tablet-Computer und einen auf einem E-Book-Reader. Dabei wurden ihre Augenbewegungen verfolgt und ihre Hirnaktivität mit Hilfe eines Elektroenzephalographen aufgezeichnet. Anschließend sollten sie angeben, welche Darstellung ihnen am besten gefallen hätte und auf welchem Medium der Text am leichtesten zu lesen gewesen sei.

Wenig überraschend schnitt das gedruckte Wort in beiden Gruppen mit Abstand als das beliebteste Medium ab. Die Jüngeren setzten dann den E-Reader – weit abgeschlagen – an die zweite Stelle, die Älteren hielten das Tablet für etwas angenehmer. In puncto Lesbarkeit siegte bei den Jüngeren ebenfalls mit weitem Abstand das Papier, gefolgt vom Tablet und dem E-Reader. Bei den Älteren lagen Tablet und Buch dagegen fast gleichauf, mit einem hauchdünnen Vorsprung für den Tablet-PC.

Als die Forscher dann jedoch die Augenbewegungen und die Hirnströme auswerteten, sahen sie sich in ihrem Verdacht bestätigt: Die objektiven Messungen passten überhaupt nicht zu den persönlichen Vorlieben der Probanden. So machte es bei den jungen Testteilnehmern überraschenderweise überhaupt keinen Unterschied, welches Medium sie vorgesetzt bekommen hatten – bei allen dreien waren sowohl Lesegeschwindigkeit als auch Hirnaktivität praktisch gleich. Bei den Älteren bestätigte sich dagegen, was sich schon bei der Frage nach der Lesbarkeit angedeutet hatte: Sie kamen mit dem Tablet offensichtlich sehr viel besser zurecht als mit Buchseite oder E-Reader. Ihre Lesegeschwindigkeit, gemessen an der Zeit, die die Augen fürs Fixieren der Wörter benötigt hatten, war beim Tablet deutlich höher als bei den anderen Medien. Gleichzeitig musste sich ihr Gehirn offenbar weniger anstrengen – seine Aktivität blieb klar unter der bei Buch und Reader.

Kultur gegen Kognition

Daraus ließen sich nun mehrere Fazits ziehen, konstatieren die Forscher. Nummer eins: Die Skepsis gegenüber digitalen Medien scheint eine rein kulturelle Erscheinung zu sein und keinesfalls eine kognitive. Die subjektiv größere Anstrengung beim Lesen muss demnach ein Symptom dieser kulturellen Abneigung sein – mehr Hirnschmalz braucht man für das Lesen auf E-Reader und Tablet jedenfalls nicht. Fazit zwei: Ältere und jüngere Menschen reagieren offenbar völlig unterschiedlich auf die verschiedenen Medien. Während es bei den jüngeren egal zu sein scheint, welche Buchvariante genutzt wird, profitieren die Älteren davon, digital zu lesen, insbesondere auf Tablet-PCs.

Die überlegene Auflösung des Monitors beim Tablet im Vergleich zum E-Reader machen die Wissenschaftler allerdings nicht dafür verantwortlich. Sie vermuten vielmehr, dass der Effekt auf die Hintergrundbeleuchtung beim Tablet zurückzuführen ist. Denn diese erhöhe den Kontrast zwischen Buchstabe und „Papier“. Bereits früher sei gezeigt worden, dass im Alter die Fähigkeit nachlässt, geringere Kontraste aufzulösen, was wiederum zu Lasten der Lesegeschwindigkeit gehe.

Natürlich sei noch zu verifizieren, ob das wirklich die Erklärung für den Effekt ist – und ob sich die Ergebnisse in weiteren, größeren Studien reproduzieren lassen. Auch bleibe zunächst unklar, ob sich das Tablet auch bei längeren Texte oder längerer Lesedauer derart bewährt. Sollte das der Fall sein, müsse man die bleibende Skepsis vielleicht als ein vorübergehendes Phänomen betrachten, das zu einer Zeit des Wandels, wie er sich aktuell in der Mediennutzung abzeichnet, schlicht dazugehört, resümieren die Forscher.

Franziska Kretzschmar (Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz) et al.: PLoS One, doi: 10.1371/journal.pone.0056178 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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