Obwohl die Trennung der beiden Gruppen erst seit wenigen Jahrzehnten besteht, hat der unterschiedliche Lebensstil bereits Spuren im Körperbau der Vögel hinterlassen, konnten Rolshausen und seine Kollegen jetzt zeigen: Die in Großbritannien überwinternden Tiere haben rundere, kürzere Flügel und schmalere längere Schnäbel als ihre spanischen Artgenossen. Erstere kommen den Tieren vermutlich beim Manövrieren zugute, sind jedoch weniger gut geeignet für längere Flugstrecken, erläutern die Forscher. Da jedoch der Weg nach Großbritannien kürzer ist als der nach Spanien, beeinträchtigt dieser Nachteil die Tiere nicht sehr stark. Die neue Schnabelform würde sich in Spanien ebenfalls als nachteilig erweisen: Sie ist nicht gerade optimal für das Verzehren von Früchten.
Auch genetisch unterscheiden sich die beiden Gruppen deutlich, obwohl sie im Sommer nach wie vor zusammen in Deutschland und Österreich leben. Tatsächlich sind mittlerweile die Unterschiede zwischen ihnen größer, als die zwischen ihnen und einer weiteren Gruppe von Mönchsgrasmücken, die ihr Leben 800 Kilometer entfernt in Osteuropa verbringt. Die Forscher stellten zudem fest, dass sich die Tiere mit dem unterschiedlichen Zugverhalten selten miteinander paaren.
Für die Forscher sind die Ergebnisse ihrer Untersuchungen ein Zeichen, dass sich innerhalb von 30 Generationen, also in den letzten 50 Jahren, zwei Ökotypen ausgebildet haben. Ökotypen sind Tiere einer Spezies, die sich an unterschiedliche Lebensbedingungen angepasst und verändert haben. Ihr Auftreten gilt als Initialzündung für die Trennung einer Art in zwei Spezies ? ein Schicksal, das auch den Mönchsgrasmücken blühen könnte. Über den starken Einfluss des Menschen auf die Evolution sagt Co-Autor Martin Schaefer: „Es zeigt, dass wir nicht nur das Schicksal seltener und vom Aussterben bedrohter Arten beeinflussen, sondern auch das gewöhnlicher Spezies, die uns jeden Tag umgeben.“