So ähnlich, vielleicht a bisserl freundlicher, stellt sich die CSU das wohl vor, wenn sie in ihren Leitantrag schreibt, Migranten sollten dazu angehalten werden, zuhause und im öffentlichen Raum Deutsch zu sprechen. Nachdem die CSU dafür massive Schelte kassiert hat, riet sie zwar zu einem anderen Ton, blieb aber in der Sache bei ihrer Sprachvorgabe: Man sollte die Ausländerin doch motivieren, Deutsch zu sprechen. Vielleicht so? „Das ist ein Hund. Es wäre gut, wenn Sie mit Ihrem Kind Deutsch sprechen. Schauen Sie, ich gebe Ihnen einen Euro für einen Kurs.“
Sprachwissenschaftler und Linguisten sind schockiert. Ein einziger Leitantrag torpediert ihre jahrelange Aufklärungsarbeit. Sie haben sich unisono bemüht, fremdsprachige Eltern dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zuhause und im öffentlichen Raum in ihrer Muttersprache zu sprechen. Aus wissenschaftlich fundierten Gründen!
Nur Deutsch geht nach hinten los
Sprechen die Eltern oder auch nur ein Elternteil gebrochen Deutsch, übernehmen die Kinder falsche grammatische Strukturen. Die Deutschkenntnisse werden nicht besser, sondern mithin sogar schlechter. Zu allem Übel sprechen die Sprösslinge aber dann auch die Herkunftssprache schlechter. Diesen doppelten Bumerang-Effekt belegen so viele Studien, dass man ihn für Allgemeingut halten sollte.
Zuletzt wäre da eine Untersuchung an russischsprachigen Kindern vom Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft in Berlin zu nennen. Nur wenn die Eltern in der Sprache sprechen, die sie selbst am besten beherrschen, erlernen die Kinder wenigstens diese optimal. Das Deutsche lernen sie dagegen viel besser in der Kindertagesstätte, in der Schule und im Kontakt mit deutschsprachigen Kindern. Und wie etwa Cem Özdemir beherrschen sie später auch das Deutsche astrein. Die Eltern wiederum erwerben das Deutsche am ehesten im Kontakt mit Deutschen und durch den Besuch von Deutschkursen, wie sie Migranten mit Aufenthaltsberechtigung ohnehin verpflichtend auferlegt werden.
Familienzusammenhalt in Gefahr
Das Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft in Berlin warnt sogar davor, dass es später zu Beziehungsproblemen in Familien kommt, wenn die Herkunftssprache nicht vermittelt wird. Klar, wie kann die Tochter mit ihren Eltern dann über komplexe Probleme etwa ihre Menstruationsbeschwerden oder Schwierigkeiten in Algebra reden, wenn Mutter und Vater das entsprechende Vokabular im Deutschen nicht sattelfest beherrschen und die Tochter umgekehrt die entsprechenden Wörter in der Herkunftssprache nicht kennt. Da können sich Sprachbarrieren auftun, die schlimmstenfalls ganze Familie auseinander reißen.
„Mehrsprachigkeit ist ein Glücksfall, kein Störfall“, wendet sich die renommierte Sprachwissenschaftlerin Rosemarie Tracy von der Universität Mannheim denn auch entschieden gegen den Vorschlag der CSU. Der sei „wissenschaftlich fragwürdig“. Und: „Mehrsprachigkeit ist in einer globalisierten Welt eine bedeutende Ressource.“
Mehrsprachigkeit fördert geistige Fitness
Hirnforscher und Psychologen unterschreiben das sofort, weil sie längst wissen, dass Mehrsprachigkeit geistige Wendigkeit und flexibleres Denken fördert, und sogar das: dem geistigen Abbau im Alter vorbeugt und das Erlernen weiterer Fremdsprachen erleichtert. Aber all das ist offenbar an den CSU-Politikern vorbeigegangen.
Die Mutter aus München lässt sich übrigens zum Glück weder von feindseligen Bundesbürgern noch von unseriösen Leitanträgen verunsichern. Sie redet auch weiterhin konsequent Ungarisch mit ihrem Sohn. Der Zweijährige verblüfft schon jetzt damit, dass er auf Ungarisch antworten kann, wenn er auf Deutsch gefragt wird oder aber „Hund“ und „Katze“ sagt, wenn er mit seinem deutschsprachigen Papa ein Bilderbuch anschaut. Und nur am Rande: Auch die junge Mutter spricht fließend Deutsch – nach rund zehn Jahren in diesem ach so freundlichen Land.
Wissenschaftsjournalistin Susanne Donner kommentiert neue Entwicklungen in den Bereichen Lebenswissenschaften und Medizin, Genetik, Chemie, Umwelt, Bioethik und Psychologie. Bekannt wurde sie für ihre Features, Reportagen und Hintergrundberichte in bild der wissenschaft, der WirtschaftsWoche, Die Zeit und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Susanne Donner wurde mit drei Journalistenpreisen ausgezeichnet und arbeitet als Gutachterin für den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags.