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Gene kommen und gehen

Erde|Umwelt Kommentare

Gene kommen und gehen
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Helix und Moleküle (Foto: Thinkstock)
Vor rund 150 Jahren sprach ein Mönch namens Mendel zum ersten Mal von Erbelementen. Was der Physik-Kundige damals entdeckte, heißt heute Gene. 1935 – vor genau 80 Jahren – hat ein anderer Physiker diese Gene zum ersten Mal als Atomverband charakterisiert. Max Delbrück, später Nobelpreisträger, hat sie so der modernen Forschung zugänglich gemacht. Doch heute scheinen Gene kaum noch ein Rolle zu spielen. Jetzt kommt es auf Genome an.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben die physikalischen Naturwissenschaften das Vorgehen entwickelt, was bald als kinetische Gastheorie bekannt wurde. Unter der Annahme, dass zum Beispiel Gase aus einzelnen Teilchen bestehen, die man Elemente oder Moleküle nannte, ließen sich messbare Eigenschaften wie Druck oder Temperatur berechnen. Darüber lernte auch der damalige Physikstudent und Gottesmann Gregor Mendel. In seinem Kloster sollte er Physiklehrer werden, aber leider rasselte er durch die Prüfungen. Also gab man ihm im Garten zu tun, und hier brachte Mendel seine Physikkenntnisse zur Anwendung.

Vom Hörsaal in die Praxis

Mendel nahm an, dass die Eigenschaften der Pflanzen auch durch Elemente – durch Erbelemente – zustande kommen können und zwar durch deren lebendige Wechselwirkung, wie er es nannte. Seine botanischen Kollegen begriffen damals nicht, was der Mönch in seinem Garten erkannt hatte, aber mit Beginn des 20. Jahrhunderts änderte sich die Sachlage. Bald war in der Biologie von Mendels Erbgesetzen die Rede, von denen Kinder heute noch in der Schule lernen.

Die Aufmerksamkeit der Forscher galt in den folgenden Jahrzehnten der Natur dieser Erbelemente. 1909 taufte sie der dänische Biologe Wilhelm Johannsen auf den Namen Gene. Und 1935 kam der damals noch junge Physiker Max Delbrück auf den Gedanken, Gene wie andere Bausteine der Materie zu betrachten und anzunehmen, sie bestünden aus Atomen. Delbrück sprach von einem Atomverband, und damit lockte er weitere Physiker in die Wissenschaft vom Leben. Dazu zählten der Brite Francis Crick und der Amerikaner James Watson, die 1953 eine Struktur für den Atomverband Gen vorlegten: die berühmte Doppelhelix aus DNA. So kurios es klingen mag – für Delbrück stellte die Doppelhelix eine Enttäuschung dar, denn mit dieser höchst eleganten Struktur sah es so aus, als ob sich alle Fragen der Biologie auf mechanische Kunststücke mit dem DNA-Molekül zurückführen ließen. Tatsächlich erweckte die Molekularbiologie in ihren triumphalen Jahren genau diesen Eindruck. Um 1970 meinten ihre Vertreter sogar, das Leben vollständig verstanden zu haben.

Gentechnik – ein Strich durch die Rechnung

Doch dann kam die Gentechnik und mit ihr die Möglichkeit, einzelne Genstücke zu isolieren und zu analysieren. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte entwickelten sich die technischen Möglichkeiten, das gesamte Erbmaterial einer Zelle – ihr Genom –  unter die wissenschaftliche Lupe zu nehmen. Heute gehört das Ermitteln einer Gensequenz – die Reihenfolge der Bausteine in einem Genom – zur Routine, für die man nicht einmal mehr ein Diplom bekommt. Dabei fiel den Forschern auf, dass das genetische Material einer menschlichen Zelle kaum Gene hat. Nur wenige Prozent des Genoms kann als Gen bezeichnet werden. Das Fazit der Biologen: Es gibt eine Dunkelmaterie im Erbgut.

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Das Wort klingt schön und zeigt gleichzeitig, dass die Lebenswissenschaftler immer noch auf die Physik zurückgreifen, wenn sie nach Erklärungen suchen. Die moderne Biologie von Mendel über Delbrück bis heute denkt in den Bahnen der Physik. Die Frage ist, ob sich so verstehen lässt, was Leben ist. Die größere Frage lautet natürlich, ob sich überhaupt sagen lässt, was Leben ist.

Wissenschaft vom Werden

Das versuchen Forscher im Rahmen einer Wissenschaft herauszufinden, die zwar viel beschreibt, aber kaum eine Theorie dazu liefert. Gemeint ist die Biologie. Wegen ihrer fehlenden Theorie kann sie keine Leitwissenschaft sein. Vielmehr ist sie eine genetische Wissenschaft, weil sie das Werden untersucht. Dass ihr dabei die Gene abhanden gekommen sind, sollte die Sache nur interessanter machen. Worin besteht und wer besorgt die lebendige Wechselwirkung, die Mendel beschäftigte? Sie bleibt ein Geheimnis.

© wissenschaft.de – Ernst Peter Fischer
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