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Der Preis unseres Hungers

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Der Preis unseres Hungers
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Je reicher ein Land wird, desto mehr tierische Proteine werden verzehrt (thinkstock)
Was steht bei Ihnen heute Abend auf dem Tisch? Ein Wurstbrot? Ein Fertiggericht? Pizza? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Denn US-Forscher haben festgestellt: Je wohlhabender ein Land wird, desto ungesünder und umweltschädlicher wird auch seine Ernährung. Vor allem Fleisch und „leere“ Kalorien aus Zucker und Fett nehmen dann überproportional zu. Das Problem: Bis 2050 könnte dieser Trend dazu führen, dass die Treibhausgas-Emissionen durch die Nahrungsproduktion um bis zu 80 Prozent steigen, wie sie vorrechnen. Gelänge es dagegen, weltweit auf gesündere Diäten wie mediterrane Kost oder vegetarische Ernährung umzuschwenken, bliebe dieser Anstieg aus.

Noch vor gut 100 Jahren war Fleisch auf dem Teller bei uns eher rar. Meist gab es nur sonntags einen Braten, ansonsten vorwiegend Gemüse, Kartoffeln und ähnliches. Doch mit steigendem Einkommen und der industrialisierten Nahrungsmittelproduktion haben sich bei uns und in den meisten wohlhabenden Ländern die Ernährungsgewohnheiten gewandelt. Fleisch und Fertiggerichte dominieren, Snacks und Süßigkeiten gehören zum Alltag. Doch das hat Folgen: „Der globale Übergang zu Diäten reich an verarbeiteten Lebensmitteln, raffinierten Zuckern, Fetten, Ölen und Fleisch hat dazu beigetragen, dass heute rund 2,1 Milliarden Menschen übergewichtig oder fettleibig sind“, erklären David Tilman und Michael Clark von der University of Minnesota in St. Paul. Und auf die Umwelt wirkt sich dies ebenfalls aus: Bereits heute sind Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion für ein Viertel der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Und der Trend droht ungebrochen weiterzugehen, denn mit steigendem Wohlstand beginnt sich auch in weiteren Ländern und Regionen die Ernährung zu ändern.

Ernährungs-Trends bis 2050 – und die Folgen

Was diese Entwicklung für die zukünftige Gesundheit und Umwelt bedeutet, haben Tilman und Clark in ihrer Studie näher untersucht. Dafür werteten sie die Entwicklung von Einkommen, Verstädterung und Ernährung in 100 Ländern aus und schlossen darauf auf die künftige Entwicklung, Gleichzeitig ermittelten sie die durchschnittlichen Treibhausgas-Emissionen für die Produktion von 88 gängigen Nahrungsmittelarten und werteten Studien zu den gesundheitlichen Folgen verschiedener Ernährungsweisen aus. Aus diesen Daten rechneten die Forscher hoch, wie sich vier verschiedene Ernährungsweisen bis 2050 auswirken werden: die typisch fleischreiche Diät der reichen westlichen Länder, eine mediterrane Ernährung mit wenig Fleisch und mehr Gemüse, eine vegetarische Diät und eine Kost mit Fisch statt Fleisch.

Die Auswertung der bisherigen Ernährungstrends ergab: Im Jahr 2009 hatten die 15 reichsten Länder der Erde – darunter auch Deutschland – einen um 750 Prozent höheren Pro-Kopf-Verbrauch von Fleischprotein als die 24 ärmsten Länder. „Die Nachfrage nach tierischen Proteinen steigt dabei mit steigendem Einkommen eines Landes, der Verbrauch von pflanzlichem Protein sinkt“, berichten die Forscher. Gleichzeitig steigt auch die Menge an „leeren“ Kalorien – Brennwerten, die nicht benötigt werden und vor allem aus Alkohol und fett- oder zuckerhaltige Snacks und Getränken stammen. Im Durchschnitt machen sie bei uns rund 500 Kalorien täglich aus. Für das Jahr 2050 prognostizieren die Forscher eine Fortsetzung dieses Trends: Weil dann mehr Länder in die höheren Einkommensgruppen nachrücken, wird sich der globale Kalorienverbrauch pro Kopf um 15 Prozent erhöhen. Überproportional stark nimmt dabei der Bedarf an Fleisch, Eiern, Milchprodukten und „leeren“ Kalorien zu, der von Gemüse und anderem pflanzlichem Protein nimmt dagegen ab.

80 Prozent mehr Treibhausgase

Für Umwelt und Gesundheit hätte diese Entwicklung negative Folgen: Setzt sich der Trend fort, werden bis 2050 die Treibhausgas-Emissionen durch die Nahrungsproduktion um 32 Prozent pro Kopf steigen, wie die Forscher berichten. Rechne man das erwartete Bevölkerungswachstum mit ein, dann könnten die Emissionen sogar um 80 Prozent gegenüber den heutigen Werten steigen. Gleichzeitig müssten rund eine Milliarde Hektar Land zusätzlich für die Nahrungsmittelproduktion bereitgestellt werden.

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Aber es gibt durchaus einen klima- und umweltschonenden Ausweg: Wenn sich bis 2050 eine mediterrane, vegetarische oder fischreiche Ernährung durchsetzen würde, dann gäbe es keinen Netto-Anstieg der Emissionen aus der Nahrungsmittel-Produktion, wie die Forscher ausrechneten. Würde man dann noch die Verschwendung und das Wegwerfen von Lebensmitteln eingrenzen, dann ließe sich der Treibhausgas-Ausstoß sogar um weitere 0,5 Gigatonnen pro Jahr senken. Auch für die globale Gesundheit hätte es nach Angaben der Forscher messbare Vorteile, wenn große Teile der Weltbevölkerung auf eine der drei weniger fleischlastigen Ernährungsweisen umsteigen würden. Die Auswertung ergab, dass dies die Häufigkeit von Diabetes Typ 2 um 16 bis 41 Prozent senken könnte, das Vorkommen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 20 bis 26 Prozent.

„Unsere Analysen demonstrieren, dass es plausible Lösungen für das Trilemma Ernährung-Umwelt-Gesundheit gibt“, konstatieren Tilman und Clark. Schon jetzt haben viele Menschen in den reicheren Ländern ihre Ernährung auf gesündere und umweltfreundlichere Alternativen umgestellt. Diesen Trend gelte es weiter zu fördern – auch durch staatliche Anreize, meinen die Forscher. Denn auch sie räumen ein, dass es enorm schwer ist, die persönlichen Ernährungs-Vorlieben eines Menschen zu beeinflussen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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