Bislang war über die Figur der Frühmenschen nur wenig bekannt, da sich die meisten Funde auf Schädelknochen beschränkten. Aus den Hüft- und Skelettknochen eines etwa zehnjährigen Kindes, des „Turkana-Jungen“, hatten Anthropologen geschlossen, dass der Homo erectus einen schmalen Körperbau hatte ? womöglich eine Anpassung an das tropische Klima und an anstrengende Jagdgewohnheiten. Die Urmenschen lebten in einer trockenen Steppenlandschaft, in der große Pflanzenfresser grasten. Um die Tiere zu erlegen, habe sich der Homo erectus zum Marathonläufer entwickeln müssen, hieß es bisher.
Das neue Fossil zeigt nun, dass man sich den Homo erectus eher untersetzt vorstellen muss, schreiben die Forscher. Der „geräumige Geburtskanal“ deute darauf hin, dass der Homo erectus bereits Babys mit einem verhältnismäßig großen Gehirn zur Welt brachte, anders als der vor 2,5 Millionen Jahren lebende Vormensch Australopithecus afarensis. Die Anforderungen der Geburt hätten die Evolution der Hüfte gesteuert, schreiben die Forscher, und nicht etwa das Klima oder die Jagd.
Sie schließen aus ihrem Fund, dass das Gehirn beim Homo erectus vor der Geburt ähnlich schnell wuchs beim modernen Menschen. Nach der Geburt lag die Wachstumsrate aber zwischen der von Schimpansen und Menschen. Als Erwachsener erreichte der Homo erectus nur etwa zwei Drittel des Gehirnvolumens des modernen Menschen. Anthropologen nehmen nun an, dass die Homo-erectus-Kinder zwar länger als Schimpansen brauchten, um selbständig zu werden. Eine so ausgeprägte Kindheit und Jugend wie beim Homo sapiens gab es bei den Frühmenschen, die bereits Werkzeuge benutzten und sich von Afrika aus in alle Welt ausbreiteten, aber wohl nicht.