Parasiten und Krankheiten haben in der Entwicklungsgeschichte des Menschen zur Vielfalt an Sprachen beigetragen: In Regionen, in denen die Menschen stark mit Parasiten und Krankheiten zu kämpfen haben, ist die sprachliche Vielfalt bis heute größer als in Gegenden ohne große Belastung durch Parasiten. Das folgern amerikanische Forscher aus einer Analyse, in der sie die regionale Vielfalt von Parasiten der Verteilung menschlicher Sprachen gegenüberstellten. Besteht beim Kontakt zu anderen Volksgruppen ein hohes Ansteckungsrisiko, bilden sich eher kleine Gemeinschaften heraus ? und die entwickeln ihre eigenen Sprachen, erklären Corey Fincher und Randy Thornhill von der Universität von New Mexico in Albuquerque den Zusammenhang.
Die Wissenschaftler stellten für ihre Analyse Daten aller sechs Kontinente zusammen und fanden für jeden einen Zusammenhang zwischen der regionalen Artenvielfalt bei Parasiten und der jeweiligen Sprachvielfalt beim Menschen. Dieser Zusammenhang war sogar unabhängig von Faktoren wie der historischen Entwicklung oder dem
Kolonialismus. Vor allem in tropischen Regionen waren sowohl die Artenvielfalt bei Parasiten als auch die sprachliche Vielfalt höher, beobachteten die Forscher. Das von Parasiten und anderen Krankheiten ausgehende Risiko habe daher mit zur Entstehung der vielen verschiedenen Sprachen beigetragen, interpretieren Fincher und Thornhill diese Ergebnisse.
Andere Wissenschaftler sind hingegen skeptisch. So habe der Mensch generell die Tendenz, sich in kleinen Gruppen zu separieren, erklärt etwa der britische Evolutionsbiologe Mark Pagel im Gespräch mit dem “New Scientist”. In Regionen mit einem reichhaltigen Nahrungsangebot wie beispielsweise im Regenwald sei ein solches Leben in eng umgrenzten Regionen leicht umzusetzen, argumentiert der Wissenschaftler. Dort, wo eben auch das Risiko einer Ansteckung mit Parasiten höher ist, bilden sich daher eher unterschiedliche Kulturen mit eigenen Sprachen heraus als in ökologisch ärmeren Regionen, in denen die Menschen gezwungen sind, auf der Suche nach Nahrung große Strecken zurückzulegen.
New Scientist, Onlinedienst ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald