Nach Ansicht von Thorpe und ihren Kollegen deutet das Bewegungsverhalten freilebender Orang-Utans jedoch darauf hin, dass sich der aufrechte Gang bereits viel eher herausbildete. Die Wissenschaftler beobachteten über ein Jahr lang mehrere Orang-Utans auf Sumatra und erfassten dabei insgesamt rund 3.000 Bewegungsabläufe. Demnach bewegen sich die Primaten nur auf sehr dicken Ästen auf allen Vieren. Auf dünnen und sehr nachgiebigen Zweigen gehen sie dagegen aufrecht. Zur Unterstützung hängen sie sich mit ihren Armen an andere, höherliegende Äste, um ihr Körpergewicht besser verteilen zu können. Diese Fortbewegungsart erlaubt es den Orang-Utans, bis zu den Früchten in der äußersten Baumkrone zu gelangen, so die Forscher.
Sie vermuten nun, dass sich die Vorfahren der Menschen und Menschenaffen bereits in ihrem ursprünglichen Lebensraum Wald zweibeinig fortbewegten, da sie so ? genau wie die Orang-Utans ? mehrere Vorteile hatten. Die auf dem Boden lebenden Vormenschen setzten dann das Verhalten fort, während sich die Vorfahren der Schimpansen und Gorillas auf das Erklettern von Bäumen spezialisierten und auf dem Boden den so genannten Knöchelgang entwickelten, bei dem die vorderen Gliedmaßen mit der Rückseite der Finger aufgesetzt werden.
Der aufrechte Gang galt bisher als typisches Unterscheidungsmerkmal zwischen Vormenschen und Vorfahren der Menschenaffen, doch die Arbeit von Thorpe und ihren Kollegen könnte diese Abgrenzung in Frage stellen. „Sollten wir Recht behalten, wird es immer schwieriger, eindeutig zu sagen, was ein Mensch und was ein Menschenaffe ist“, so Robin Crompton, einer der Mitautoren.