Das Erbgut von Ratten soll helfen, das bislang ungeklärte Rätsel um die Herkunft der heutigen Polynesier zu lösen. Beim Vergleich von DNA heute lebender pazifischer Ratten (Rattus exulans) mit der aus antiken Rattenknochen entdeckten neuseeländische Wissenschaftler, dass die Ratten mit den Vorfahren der Polynesier zu unterschiedlichen Zeiten auf die verschiedenen Inseln Ozeaniens gelangt sein müssen. Damit sei die These widerlegt, die Ahnen der Polynesier seien auf direktem Weg vom südöstlichen Asien nach Polynesien gewandert, schreibt das Team um Elizabeth Matisoo-Smith von der Universität von Auckland in der Fachzeitschrift PNAS (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0403120101).
Nach Ansicht vieler Wissenschaftler stammen die heutigen Polynesier von den Völkern der so genannten
Lapita-Kultur ab, die vor etwa 3.500 Jahren im westlichen Pazifik auftauchten. Auf ihren Booten führten diese Seefahrer verschiedene Tiere mit sich, die ihnen auf ihrer Reise als Nahrung dienten. Dazu gehörten auch Ratten der Gattung Rattus exulans, die auf diese Weise überall dorthin gelangten, wo die Lapita an Land gingen. Da diese Nager nicht schwimmen können, vermischten sie sich anschließend nicht mit Ratten von anderen Inseln, sondern bildeten nahezu geschlossene Gruppen.
Genau das nutzten Matisoo-Smith und ihre Kollegen aus, um die Wanderungen der Lapita zurückzuverfolgen. Die Forscher verglichen die so genannte mitochondriale DNA von Ratten unterschiedlicher Herkunft. Dieser Teil des Erbguts wird praktisch ausschließlich über die Weibchen vererbt und verändert sich daher im Lauf der Zeit nur sehr wenig. Dabei fanden die Wissenschaftler drei verschiedene DNA-Sequenzen ? ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Rattenpopulationen bereits vor langer Zeit voneinander isoliert wurden.
Auch wenn die Forscher damit immer noch nicht genau sagen können, woher die Lapita kamen und wie genau sie gewandert sind, können sie doch einige der aufgestellten Theorien dazu widerlegen: Wären die Lapita tatsächlich, wie häufig vermutet, auf direktem Weg vom südöstlichen Asien nach Polynesien gekommen, dürfte es nur eine einzige Rattenpopulation geben. Der Weg der Lapita muss also deutlich komplexer und langsamer gewesen sein und die Seefahrer mit einigen der pazifischen Völker in Kontakt gebracht haben. Um weitere Informationen über den Weg der Lapita zu erhalten, wollen Matisoo-Smith und ihre Kollegen ihre Daten nun mit Befunden aus der Archäologie, der vergleichenden Sprachforschung und aus genetischen Studien am Menschen vergleichen.
ddp/bdw ? Ilka Lehnen-Beyel