Schon von Anfang an sorgte die nur 24 Kilometer lange und 13 Kilometer breite Insel für Erstaunen: Als Europäer sie am Ostersonntag 1722 erstmals erreichten und anschließend erkundeten, stießen sie auf beeindruckende Monumente. Wer sie erbaut hatte, schien rätselhaft, denn nur wenige Menschen einer vergleichsweise simplen Kulturstufe lebten auf der Insel. Heute geht man davon aus, dass die Kultur des Volks der Rapanui in der Mitte des 17. Jahrhunderts aus bisher ungeklärten Gründen kollabiert war.
Archäologische Funde, Sprachanalysen und auch bisherige Gentests zeigten, dass die Ureinwohner der Osterinsel zumindest hauptsächlich polynesischen Ursprungs waren. Das berühmte Seefahrer-Volk hatte bei seiner Expansion nach Osten offenbar auch irgendwann diese extrem entlegene Insel erreicht. Unklar blieb allerdings, ob die Bewohner anschließend Kontakt mit den Menschen im etwa 4000 Kilometer entfernten Südamerika aufgenommen haben.
Kontakt schien wahrscheinlich
Bisher schien ein Untersuchungsergebnis für diese Verbindung zu sprechen: Forscher hatten charakteristische DNA-Spuren südamerikanischer Vorfahren im Erbgut von heutigen Inselbewohnern mit einer einheimischen Abstammungslinie entdeckt. Anhand genetischer Merkmale vermuteten sie, dass es vor ungefähr 19 bis 23 Generationen zu dieser Einkreuzung gekommen war – zwischen 1300 und 1500 n.Chr.. Doch dieser Annahme widersprechen nun die Ergebnisse der Forscher um Lars Fehren-Schmitz von der University of California in Santa Cruz.
Im Rahmen ihrer Studie haben sie Knochenfragmenten von fünf einstigen Inselbewohnern Erbgut entlockt und sequenziert. Datierungen zufolge haben drei von ihnen vor dem europäischen Kontakt gelebt und zwei danach – frühestens etwa 1815. Das historische Erbgut verglichen die Forscher dann mit dem von Menschen aus Polynesien und Südamerika, um Rückschlüsse auf mögliche Vermischungen ziehen zu können.
Keine Spuren einer Vermischung
Ergebnis: Die Forscher fanden bei allen fünf Proben nur Merkmale der polynesischen Abstammung. „Wir haben keine Hinweise auf einen Genfluss zwischen den Bewohnern der Osterinsel und Südamerika finden können“, sagt Fehren-Schmitz. „Das hat uns sehr überrascht. Es gab viele Hinweise, die den Kontakt plausibel erscheinen ließen – deshalb waren wir eigentlich davon überzeugt, direkte Beweise für die Verbindung mit Südamerika vor der Entdeckung durch die Europäer finden zu können. Aber es war eben nicht so“, resümiert Fehren-Schmitz. Dieses Ergebnis kann zwar die Möglichkeit nicht ausschließen, dass es zwischen den beiden Populationen einen kulturellen Kontakt gegeben hat. Er hätte dann aber überraschenderweise zu keinen Vermischungen geführt.
„Unsere Daten deuten darauf hin, dass das amerikanische Erbgut der heutigen Ureinwohner der Osterinsel vor der Begegnung mit den Europäern nicht präsent war und daher auf Ereignisse in der jüngeren Geschichte zurückzuführen ist,“ sagt Fehren-Schmitz. Ihm zufolge könnten Sklaverei, Walfang und andere Aktivitäten, die auf den europäischen Kontakt folgten, Menschen auf die Insel gebracht haben, die für den Genfluss gesorgt haben.
Die Forscher wollen diesem Bevölkerungsaustausch nun genauer nachgehen und auch generell die Populationsentwicklung in diesem Teil der Welt detaillierter aufklären. „Es ist schwierig, Bewegungen von Menschen in der Geschichte von Einflüssen aus neuerer Zeit zu trennen“, so die Wissenschaftler. Aber dieser Herausforderung wollen sie sich nun weiterhin durch die Untersuchung historischen und heutigen Erbguts stellen.