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Steinzeitliche Kulturverweigerer

Geschichte|Archäologie

Steinzeitliche Kulturverweigerer
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Typischer Schmuck der steinzeitlichen Jäger und Sammler in Nordeuropa (Solange Rigaud)
Ganz Europa erlebte mit der Ausbreitung der Landwirtschaft einen tiefgreifenden Wandel – oder doch nicht? Während die neuen Kulturtechniken der Viehzucht und des Pflanzenanbaus auch die Lebensweise und Kultur der ersten steinzeitlichen Bauern veränderte, gab es auch Regionen in Europa, in denen die Menschen weitaus länger an ihren alten Traditionen festhielten. Sie übernahmen zwar die Landwirtschaft, behielten aber ihre typischen Jäger-und Sammler-Bräuche zumindest zum Teil bei, wie Forscher anhand eines Vergleichs von steinzeitlichen Schmuckstücken herausfanden.

„Der Übergang zur Landwirtschaft repräsentiert einen der großen Wendepunkte in der Geschichte der Menschheit“, erklären Solange Rigaud vom Center for International Research in the Humanities and Social Sciences (CIRHUS) der New York University und ihre Kollegen. Vor 8.000 bis vor rund 5.500 Jahren begannen die Menschen in Europa nach und nach, ihre angestammte Lebensweise als Jäger und Sammler aufzugeben und stattdessen Pflanzen anzubauen und Vieh zu halten. Vom östlichen Mittelmeer breitete sich diese neue Kulturtechnik der Landwirtschaft in dieser Zeit bis in den Norden Europas aus – teilweise durch Abgucken, teilweise durch Einwanderer aus dem Süden, die diese Fertigkeiten mitbrachten. Auf welchen Wegen und in welchen Zeitabschnitten die neolithische Revolution in Europa Fuß fasste, ist jedoch bisher nur in Teilen bekannt.

Klar ist aber, dass die Ausbreitung der Landwirtschaft auch tiefgreifende kulturellen Veränderungen mit sich brachte. Neue Bräuche und Techniken etablierten sich mit der neuen Lebensweise, auch der Stil der Schmuckherstellung wandelte sich, wie Studien zeigen: Während die Jäger und Sammler meist einfach Tierzähne oder Muschel- und Schneckenschalen durchbohrten und daraus Ketten und Armbänder fertigten, produzierten die ersten Bauern bereits Perlen aus Ton, in die sie Ornamente einritzten. Solche Schmuckstücke erlauben es daher, den Vormarsch der Landwirtschaft und der damit verbundenen Veränderungen nachzuvollziehen – und genau dies haben Rigaud und ihre Kollegen in ihrer Studie nun getan. Dafür untersuchten sie mehr als 200 verschiedene Perlentypen und Schmuckstücke, die an 400 Fundorten in ganz Europa in der Zeit der neolithischen Revolution hergestellt worden waren. Sie geben so einen Einblick in die kulturellen Veränderungen vor 8.000 bis 5.000 Jahren.

Kulturelle Neuerungen? Ohne uns!

Das Ergebnis: Im Süden Europas bestätigen die Schmuckfunde die langsame, aber stetige Ausbreitung der Landwirtschaft: Vom Osten Griechenlands über das Schwarze Meer bis nach Spanien und in die Bretagne beginnen immer mehr Menschen, die typischen Perlen der ersten Bauern herzustellen. Aber es gibt auch Verweigerer: in Nordeuropa rund um die Ostsee hält sich die traditionelle Jäger-und-Sammler-Kunst noch hunderte Jahre nachdem dort die ersten bäuerlichen Siedlungen errichtet wurden. „Es ist klar, dass die Jäger und Sammler in der Ostsee-Region der Anpassung an die Bauern-Ornamente widerstanden“, sagt Rigaud. „Wir schließen daraus, dass hier eine kulturelle Grenze lag, die zunächst die Ausbreitung der Landwirtschaft  blockierte.“

Selbst wenn einzelne Menschen vielleicht schon begannen, Tiere zu halten und Pflanzen anzubauen, hielten die Ostsee-Anrainer an ihren kulturellen Traditionen weitaus beständiger fest als die Menschen weiter im Süden. „Diese Entdeckung geht über die Landwirtschaft hinaus“, so Rigaud. „Es enthüllt zwei verschiedene kulturelle Entwicklungen, die vor tausenden von Jahren in Europa stattfanden.“ Die Ergebnisse zeigen, dass die neuen Techniken, Bräuche und kulturellen Eigenheiten der neolithischen Revolution nicht immer und überall als Gesamtpaket übernommen wurden. Stattdessen gab es Regionen in Europa, wo sich alte Sitten und Traditionen trotz Landwirtschaft länger hielten als anderswo.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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