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Leichen-Faustschläge für die Forschung

Geschichte|Archäologie

Leichen-Faustschläge für die Forschung
15-10-22 Faust.jpg
Credit: David Carrier, University of Utah
Fingerfertig aber auch schlagkräftig: Zur Faust geballt ist die Hand die natürliche Waffe des Menschen. Einer umstrittenen Theorie zufolge prägte diese Funktion auch die Evolution der Hand. US-Forscher haben sie nun durch Versuche mit Gruselfaktor untermauert: Sie führten experimentelle Schläge mit präparierten Fäusten von Leichen durch. Die Ergebnisse bestätigen, dass die Form der menschlichen Hand bei Faustschlägen in idealer Weise gleichzeitig Schlagkraft und Schutz gewährleistet.

Klar ist: In der Entwicklungsgeschichte des Menschen bildeten die Hände ein Schlüsselelement. Als feinmotorische Werkzeuge des Verstandes befähigten sie unsere Vorfahren zu überlegenen Leistungen. Zweifellos hat sich die Form der Hand im Laufe der Evolution zunehmend an die entsprechend feinmotorischen Aufgaben angepasst. Die Idee, dass aber auch der Einsatz als Waffe eine Rolle bei ihrer Formentwicklung gespielt haben könnte, kam den Forschern um David Carrier von der University of Utah bei der Betrachtung der Hände von Menschenaffen. Unsere nächsten Verwandten im Tierreich haben Hände mit vergleichsweise langen Handflächen und kleinen Daumen. Sie können dadurch nicht die kompakte Form der menschlichen Faust bilden. Wenn Geschicklichkeit die einzige treibende Kraft bei der Evolution der menschlichen Hand gewesen wäre, hätte sie sich auch anders entwickeln können, vermuteten die Forscher.

Einschlägige Form?

2012 präsentierten sie in einer Studie erstmals Hinweise darauf, dass die Proportionen der menschlichen Hand perfekt an Faustschläge angepasst zu sein scheinen. Im vergangenen Jahr widmeten sie sich dann gleichsam dem Gegenstück: Der Gebrauch der Faust spiegelt sich ihnen zufolge auch im Gesicht des Menschen wider. Vor allem der Jochbogen unterhalb des Auges sei in der Entwicklungsgeschichte des Menschen vor allem beim Mann dicker worden, um Schutz bei Faustkämpfen zu bieten, so die Argumentation. In der aktuellen Studie haben sie sich nun wieder der Hand zugewandt. „Die Idee, dass aggressives Verhalten eine Rolle bei der Entwicklung der menschlichen Hand spielte, bleibt umstritten“, sagt Carrier. Um ihre Argumentation zu bekräftigen, führten er und seine Kollegen nun Experimente mit bizarr-authentischem Versuchsmaterial durch: mit acht abgetrennten Leichen-Armen, die ihnen zur Verfügung gestellt worden waren.

Eine Studie passend zur Halloween-Zeit…

Die Forscher montierten die Arme für die Experimente auf eine pendelartige Vorrichtung, so dass sie durch eine Schaukelbewegung mit der Hand voran in einen Mess-Ball donnern konnten. Die Sehnen beziehungsweise Muskeln der Arme verbanden sie über Angelschnüre mit Stellschrauben, ähnlich denen zum Stimmen einer Gitarre. So konnten sie die Hand in verschiedene Stellungen bringen – von geöffnet bis zur voll geschlossenen Faust. Zusätzlich erfassten die Wissenschaftler durch Messfühler die Belastungen, die bei den experimentellen Schlägen auf die Handstrukturen einwirkten.

Nach Hunderten von Schlägen beziehungsweise Klatschern zeichnete sich ab: Mit geballter Faust kann der Mensch deutlich sicherer und mit 55 Prozent mehr Kraft zuschlagen als mit einer Faust, die nicht geschlossen und vom Daumen gestützt wird. Im Vergleich zum Schlag mit offener Hand ist die Wucht einer Faust sogar doppelt so heftig, berichten Carrier und seine Kollegen. Zudem werden die Mittelhandknochen vor Verletzungen geschützt, zeigten die Ergebnisse.

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Den Forschern zufolge bekräftigen ihre makaberen Experimente nun in Kombination mit den früheren Untersuchungen ihre Schlussfolgerungen: „Das Besondere bei der Evolution der Hand scheint zu sein, dass ihre Proportionen sowohl Fingerfertigkeit förderten als auch die Eignung zum Einsatz als Schlagwaffe“, schreiben sie im „Journal of Experimental Biology“. Neben gestalterischen Zügen spiegelt sich somit auch die dunkle Seite des Menschen in seinen Händen wider, sind sie überzeugt.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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