Für etwa 75 Prozent aller Menschen schmecken Substanzen wie der Bitterstoff Phenylthiocarbamid extrem oder zumindest moderat bitter, während sie für die restlichen 25 Prozent praktisch geschmacklos sind. Dahinter steckt ein genetischer Unterschied, der den Bauplan für einen Geschmacksrezeptor namens TAS2R38 betrifft: Er kommt in zwei häufigen Varianten namens PAV und AVI sowie in drei sehr seltenen Formen vor, die sich jeweils durch maximal drei Bausteine unterscheiden. Wer zwei Kopien der AVI-Variante in seinem Erbgut trägt, gehört zu den Nicht-Schmeckern, die bitteren Geschmack kaum wahrnehmen. Bei den Schmeckern ist hingegen mindestens einmal die PAV-Form im Genom vertreten.
Da die Fähigkeit, Bitteres und damit potenziell Giftiges zu schmecken, als wichtig für das Überleben der frühen Menschen gilt, prüften Lalueza-Fox und seine Kollegen jetzt, ob es auch beim Neandertaler bereits ein ähnliches System gab. Sie untersuchten, welche Variante des Bitterrezeptors in der DNA eines erwachsenen Neandertaler-Mannes vorherrschte, der vor etwa 48.000 Jahren im heutigen Asturien lebte. Wegen der Schwierigkeiten bei der Analyse derartig alter DNA konzentrierten sie sich dabei vor allem auf einen der variablen Bausteine, dem eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung Schmecker und Nicht-Schmecker zugeschrieben wird. Ergebnis: Der Mann trug sowohl eine Variante in seinem Erbgut, die ihn als Schmecker charakterisierte, als auch eine, die für Nicht-Schmecker typisch ist. Da die Schmecker-Form heute dominant wirkt, ihre Anwesenheit also immer dafür sorgt, dass Bitteres bitter schmeckt, habe der Neandertaler vermutlich ebenfalls bitteren Geschmack wahrgenommen, so Fazit der Forscher.
Zudem deute das Vorkommen beider Varianten darauf hin, dass es schon damals verschiedene Ausprägungen der Fähigkeit, Bitteres zu schmecken, gegeben habe. Vermutlich entwickelte sich dieses System daher bereits bei einem gemeinsamen Vorfahr von modernem Mensch und Neandertaler vor mindestens 500.000 Jahren, schreiben die Wissenschaftler.