Wracks haben etwas Geheimnisvolles an sich – doch neben möglichen versunkenen Schätzen und archäologischen Funden gibt es auch praktische Gründe, warum genaue Positionsangaben versunkener Schiffe wichtig sein können: Wracks der Neuzeit können durch Korrosion Giftstoffe freisetzen oder in flachen Gewässern Kollisionsgefahren darstellen. Besonders viele solche Wracks liegen beispielsweise im Ärmelkanal – im Bereich, wo England nur etwa 160 Kilometer von der Küste Belgiens beziehungsweise der Niederlande entfernt ist. Hier schlummern vor allem die Überbleibsel des Seekrieges der 1940er Jahre am Grund. Die möglichen negativen Auswirkungen dieser Wracks auf die Umwelt werden als so wichtig eingeschätzt, dass sie die Europäische Union lokalisiert und überwacht haben will.
Markante Sediment-Fahnen
Doch diese Schiffsüberreste ausfindig zu machen, ist erstaunlich schwierig. Obwohl das Wasser relativ flach ist, macht die hohe Sedimentfracht in dieser von den Gezeiten geprägten Meeresregion die Lokalisierung knifflig, denn in dem trüben Wasser versagen die Standardmethoden. Doch die Forscher um Michael Fettweis vom Royal Belgian Institute of Natural Sciences in Brüssel haben das Problem nun gleichsam zum Vorteil gemacht: Ihnen zufolge kann sich die Position von Wracks durch Sediment-Fahnen abzeichnen, die durch die Gezeitenströme hervorgerufen werden.
Diese Spuren sind auf Aufnahmen des NASA/USGS-Erdbeobachtungssatelliten Landsat 8 sichtbar, haben die Forscher festgestellt. Wie sie erklären, entstehen die Fahnen dadurch, dass Sedimente in den Strukturen der Wracks hängen bleiben und sich in der Ruhephase zwischen Flut und Ebbe absetzen. Anschließend wird das Material dann beim erneuten Strömungsbeginn der Gezeiten wieder mobilisiert und bildet Fahnen, die bis an die Oberfläche gewirbelt werden können.
Wracks vor der belgischen Küste zeichnen sich ab
Die Forscher dokumentierten diesen Effekt anhand von Satellitenaufnahmen des Küstengebiets vor der belgischen Hafenstadt Zeebrugge. Sie blickten dabei auf Schiffswracks aus dem zweiten Weltkrieg und den späten 1930er Jahren, deren Postion bereits bekannt ist. Sie konnten belegen, dass sie sich klar durch die Sediment-Verwirbelungen abzeichnen, wenn noch genügend Strukturen aus dem Grund ragen: Es entstanden bis zu vier Kilometer lange Fahnen im Oberflächenwasser. Folglich ließen sich auch Wracks mit der Methode ausfindig machen, deren Positionen bisher nicht bekannt sind, sagen die Forscher.
Sei betonen allerdings, dass sich die Methode nur im Fall von „Schiffs-Leichen“ eignet, die nicht zu tief liegen, so dass ihre Sediment-Fahnen noch die Oberfläche erreichen können. Außerdem muss das Wasser von Gezeiten bewegt und mit Sedimenten beladen sein. Doch Fettweis und seinen Kollegen zufolge sind diese Voraussetzungen häufig gegeben, da die meisten Wracks in flachen Küstenbereichen des Nordatlantiks schlummern. Somit könnte der scharfe Blick aus dem Weltall der marinen Archäologie nun wertvolle Hinweise liefern, sagen die Forscher.