Knapp 200 Kilometer nördlich von Lima liegt Caral, eine antike Stadt, die 1905 entdeckt wurde. Jetzt haben amerikanische Wissenschaftler durch Radiocarbon-Datierungen festgestellt, dass die Stadt älter ist als bisher vermutet. Sie ist wahrscheinlich zwischen 2600 und 2000 v. Chr. entstanden ? zu jener Zeit, als in Ägypten die ersten Pyramiden gebaut wurden. Damit ist Caral die älteste Stadt der Neuen Welt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Magazin „Science“.
Caral liegt auf einer Wüstenterrasse oberhalb des Supe-Tals. Die Bauten sind so monumental, dass die Archäologen unter der Leitung von
Jonathan Haas vom
Chicago’s Field Museum davon ausgehen, dass sich hier eine komplexe Gesellschaft entwickelt hatte. „Die Größe der Baustruktur ist ein Indikator für Macht“, erklärt Haas. „Es bedeutet, dass die Führer der Gesellschaft ihren Untertanen eine Menge Arbeit abverlangen konnten.“ Das soziale und politische System von Caral kann nach Meinung des Wissenschaftlers als die Wurzel der späteren Inka-Kultur gelten.
Dominiert wird die Stadt von sechs weitläufigen Wällen, die sich um einen riesigen Platz ziehen. Alle sechs Wälle wurden vermutlich in ein oder zwei Bauphasen fertiggestellt, was darauf hindeutet, dass es hier eine weitsichtige Administration mit guten organisatorischen Fähigkeit gab. Ungewöhnlich ist die Monumentalarchitektur der Stadtbauten von Caral auch, weil solche Bauten bisher erst aus der jüngeren Zeit, etwa ab 1500 v. Chr. bekannt waren.
Die Bewohner von Caral bauten diverse Pflanzen mit Hilfe eines Bewässerungssystems an. Die Entwicklung des Systems kann nach Meinung der Archäologen als enorme Leistung gesehen werden, denn das Klima in Caral ist extrem trocken und die einzige in der Nähe befindliche Wasserquelle ist der Fluss Supe. „Die Bauern von Caral könnten Amerikas erste Pioniere im Kanalbau gewesen sein“, urteilt der Archäologe Winifred Creamer.
Joris Maling