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Das Ischtar-Tor von Persepolis

Geschichte|Archäologie

Das Ischtar-Tor von Persepolis
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Aus Originalziegeln nachgebaut: Das Ischtar-Tor im Vorderasiatischen Museum in Berlin (Foto: pio3/Shutterstock.com)

In der Nähe der altpersischen Residenzstadt Persepolis haben Archäologen ein zweites Ischtar-Tor gefunden. Die Kopie des babylonischen Monuments ist 2500 Jahre alt – und eine Sensation.

Es gehört zu den Highlights der Berliner Museumsinsel: das blaue Ischtar-Tor, das einst Einlass in die Euphrat-Metropole Babylon gab. Die Fassade des circa 2600 Jahre alten Baus zieren glasierte Ziegel, die auf tiefblauen Grund abwechselnd die Symboltiere babylonischer Götter zeigen: weiße Stiere, die dem Wettergott Addad heilig sind, sowie Ungeheuer mit Schlangenkopf, geschupptem Löwenleib und Greifenfüßen, die zu Marduk, dem Hauptgott der Stadt gehören. Musch-chu-schu nannten die Babylonier das Mischwesen. Das Tor, das belegen Schriftquellen, erhielt seinen Namen aber von der kämpferischen Liebesgöttin Ischtar. Ihre Löwen prangten zu beiden Seiten der Torstraße.

Die Reste von Babylon liegen heute auf irakischem Boden, das Ischtar-Tor steht in Berlin. Wie das Tor von Babylon nach Berlin kam, erklärt sich leicht: Seit 1899 leitete der deutsche Archäologe Robert Koldewey Grabungen in der mesopotamischen Metropole. Bis 1927 erreichten dann 800 Kisten mit Hunderttausenden Ziegelfragmenten die Hauptstadt der Weimarer Republik. Koldeweys Nachfolger Walter Andrae ließ aus den Bruchstücken einen Teil des Tores wiedererrichten. Das bestand nämlich einst aus zwei Durchgängen. Andrae ließ allerdings nur einen der beiden Torbauten im Museum nachahmen.

Berühmte Babylon-Besucher

Könnten die Ziegel sprechen, sie hätten einiges zu erzählen. Darüber, was genau geschah, als 330 v.Chr. Alexander der Große mit seinem Heer in die Stadt einmarschierte. Oder davon, was gut 200 Jahre zuvor passierte, als der Perserkönig Kyros 539 v.Chr. sich mit der mächtigen Priesterschaft des Stadtgottes Marduk arrangierte und als neuer Herr über Babylon in die Stadt kam. Anders als über Alexander liegen über Kyros den Großen, wie die Nachwelt den Gründer des Perserreichs taufte, nur wenige Berichte von Zeitgenossen vor. Sicher ist, dass er um 559 v.Chr. den persischen Thron bestieg, sein Land von der Herrschaft der benachbarten Meder befreite, anschließend siegreich gegen den für seinen sagenhaften Reichtum gerühmten König Krösus zog und Kleinasien fast vollständig in Besitz nahm. 539 v.Chr. fiel ihm schließlich die Stadt Babylon und ihr Reich in die Hände, das sich von der Ostküste des Mittelmeers bis zum Zagros-Gebirge im Osten erstreckte.

Mit seinen Eroberungszügen hatte Kyros das bis dahin größte Weltreich geschaffen. Und Babylon dürfte ihn dabei tief beeindruckt haben – mehr, als die Quellen bislang preisgaben. Diese Vermutung nährt ein Fund, auf den die beiden Archäologen Pierfrancesco Callieri von der Universität Bologna und Alireza Askari Chaverdi von der iranischen Universität Schiras über 1000 Kilometer entfernt von Babylon stießen: die Überreste eines Torbaus aus blauen glasierten Ziegeln, von denen einige einst zu Bildern von Stieren und Schlangendrachen gehörten. „Die Ziegel sehen genauso aus wie am Ischtar-Tor in Berlin“, verrät Callieri. Ihr Fundort: Persepolis im Süden des heutigen Iran.

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Der Haupteingang zur Palastterrasse von Persepolis (Foto: BornaMir/iStock)

Persepolis war über 200 Jahre die vielleicht prächtigste Residenz der persischen Könige – bis Alexander der Große 330 v.Chr. auf seinem Gewaltmarsch gegen das Perserreich die Palaststadt in Schutt und Asche legen ließ. Heute ist das Ruinenfeld Unesco-Weltkulturerbe und Irans bedeutendster Touristen-Hotspot. Auf einer 18 Meter hohen Steinterrasse ruhen die Überreste mehrerer Palasthallen aus Kalkstein. Haushohe Türlaibungen und Säulen, auf denen einst massive Stier- und Greifenfiguren lagerten, zudem breite Treppenaufgänge und ein Torbau mit menschenköpfigen Stieren zeugen vom verblichenen Prunk. Der Gründer der zwölf Hektar großen Anlage war Dareios I., der acht Jahre nach Kyros‘ Tod 530 v.Chr. zum König aufstieg (522 bis 486 v.Chr.). Sein Sohn Xerxes (486 bis 465 v.Chr.) und dessen Nachfolger erweiterten den Komplex. Davon berichten Inschriften an Wänden und Säulen.

In den 1930er-Jahren begannen Archäologen, Persepolis freizulegen. Seither ist die Stätte gut erforscht. Ähnlich intensiv haben Wissenschaftler auch andere Residenzen im Kernland des Perserreichs erkundet, etwa Pasargadae, das unweit von Persepolis im Hochland des Zagros-Gebirges liegt, oder Susa am Rand der Schwemmlandebene von Euphrat und Tigris.

Könige und Paläste strahlen eine verführerische Anziehungskraft aus, der sich auch Wissenschaftler nicht entziehen können. Fakt ist: In Persepolis fokussierten die Archäologen ihre Arbeit hauptsächlich auf die königliche Residenz, kaum einer untersuchte das Umland. „Von Schrifttafeln, die in Persepolis gefunden wurden, wissen wir, dass es rund um die Residenz eine Stadt gab, in der Handwerker, Palastpersonal und der Adel lebten“, erklärt Pierfrancesco Callieri. 2008 begann er zusammen mit seinem iranischen Kollegen Askari, die Stadt von Persepolis besser zu erkunden – mit Unterstützung ihrer Universitäten in Bologna und Schiras sowie der staatlichen Kulturbehörde „Iranisches Zentrum für Archäologische Forschung“.


Reste des Nachbaus von Tol-e Ajori bei Persepolis (Foto: Iranian-Italian Joint Archaeological Mission, ICAR-Shiraz University-University of Bologna)

Wertvolle Vorarbeit für das Projekt hatten Archäologen aus Frankreich und Iran geleistet. Sie hatten von 2005 bis 2008 das Umland mit einem Magnetometer kartiert. Damit lassen sich Abweichungen im Erdmagnetfeld aufspüren, die durch frühere Erdarbeiten, Mauern, Gruben oder alte Straßenzüge im Boden verursacht wurden. Callieri und Askari pickten sich aus den geophysikalischen Daten die vielversprechendsten Anomalien heraus, um dort den Spaten in den Boden zu stechen. Manche der Fundorte waren Forschern schon vor 40 oder 50 Jahren ins Auge gefallen, weil auf der Oberfläche dicht gestreut Scherben, Ziegel oder Steinblöcke liegen. Doch erst die Aufzeichnungen mit dem Magnetometer gaben Callieri und Askari eine gute Vorstellung davon, was unter ihnen im Boden schlummern könnte.

2011 begannen die beiden Forscher am Tol-e Ajori („Ziegelhügel“) zu graben. Die flache Erhebung in der Ackerlandebene befindet sich ungefähr dreieinhalb Kilometer westlich von Persepolis beim modernen Ort Firuzi. Vor der Grabung war sie übersät mit Lehmziegelbrocken. „Durch die magnetometrischen Aufnahmen glaubten wir zunächst, dass wir ein quadratisches Mauerwerk zu erwarten hätten. Nach drei Grabungskampagnen dachten wir, die Reste eines Turms oder Saals freizulegen“, berichtet der italienische Archäologe. „Im Verlauf der letzten beiden Jahre haben wir dann festgestellt, dass es sich um einen rechteckigen Torbau handeln muss.“

Glasierte Ziegel à la Babylon

An einigen Stellen hatte das Grabungsteam mehrere Lagen von Lehmziegeln entdeckt. Obwohl das Bauwerk bereits in der Antike beschädigt wurde und irgendwann auch einstürzte, reichten die erhaltenen Partien aus, um den Grundriss zu rekonstruieren: Das Tor bestand aus zwei 39 Meter langen Mauern, zwischen denen ein 8 Meter breiter Korridor verlief. Die beiden Torwangen waren 10 Meter dick und aus luftgetrockneten und gebrannten Lehmziegeln gemauert, um die ein Mantel aus farbig glasierten Ziegeln gelegt wurde. An wenigen Stellen stießen die Ausgräber auf erhaltene Abschnitte der bunten Fassade. Den Rest sammelten sie aus dem Erdreich über dem Fundament.

„Wir haben Fragmente von einfarbig glasierten Ziegeln gefunden, dann solche mit Blumenmuster und andere mit Reliefbildern, berichtet Callieri. Wanddekorationen aus farbigen Ziegeln hatten Archäologen in dieser Region bislang nur in den Ruinen persischer Paläste entdeckt, vor allem in Susa. Dort waren Bogenschützen, Löwen, Greifen und menschenköpfige Sphingen dargestellt.

     
Reliefziegel aus Tol-e Ajori bei Persepolis stimmen exakt überein mit den Bildziegeln vom Schlangendrachen Musch-chu-schu am Ischtar-Tor. (Fotos: red_moon_rise/iStock, Iranian-Italian Joint Archaeological Mission, ICAR-Shiraz University-University of Bologna)

Kaum etwas davon ähnelt allerdings den Reliefziegeln von Tol-e Ajori. Auf denen zeichnet sich mal ein Huf ab, dann ein Schwanz, ein geschuppter Hals, eine Vogelkralle oder ein Schlangenkopf. Callieri und Askari fanden rasch heraus, wie die vollständigen Tierwesen ausgesehen haben müssen: „Diese Ziegel passen exakt in die Bilder der Stiere und Schlangendrachen am Ischtar-Tor.“ Die Ähnlichkeiten sind so groß, dass die beiden Archäologen nicht überrascht wären, wenn die Ziegel aus denselben Hohlformen stammen würden wie ihre Pendants in ­Babylon. Ob ihre Vermutung stimmt, sollen demnächst 3D-Scans von Ziegeln aus Babylon und Tol-e Ajori klären.

Und die Forscher sind überzeugt, eine weitere Übereinstimmung mit dem babylonischen Stadtzugang entdeckt zu haben. Callieri: „Der Grundriss von Tol-e Ajori stimmt erstaunlich gut mit dem vom zweiten, inneren Teil des Ischtar-Tors überein.“ Die persische Version ist sogar etwas größer ausgeführt – die Torwangen sind etwa zehn Meter länger als beim Original, dafür besaß die Kopie kein Vortor wie in Babylon. „In der Archäologie ist es der erste Fall, dass wir von der antiken Replik eines antiken Bauwerks wissen.“ Aber wer hat das monumentale Tor errichten lassen? Und warum?

Ausmaß und Aussehen der Architektur lassen keinen Zweifel daran, dass ein König, Fürst oder Feldherr den Bau beauftragt hatte. Dessen Vorbild steht in Babylon – es liegt nahe, an einen babylonischen König zu denken, am ehesten an den, der das Original erbauen ließ. Das stammt von Nebukadnezar II. Mit dieser Tat rühmt sich der König in einer langen Inschrift, die am Tor angebracht war: „Nebukadnezar, König von Babylon, (…) bin ich. Das Tor der Ischtar habe ich mit glasierten Steinen für Marduk, meinen Herrn, gebaut.“ Nebukadnezar, den das Abendland aus der Bibel als tyrannischen Eroberer von Jerusalem kennt, hatte Babylon vollkommen neu gestalten lassen. Während seiner Regierungszeit von 605 bis 562 v.Chr. entstand auch das Ischtar-Tor zu Ehren des Hauptgottes Marduk.

     
Eng verwandt: Weitere Reliefziegel aus Tol-e Ajori finden ihr Pendant in den Stierbildern vom Ischtar-Tor. (Fotos: Arkady Chubykin/iStock, Iranian-Italian Joint Archaeological Mission, ICAR-Shiraz University-University of Bologna)

Doch dass Nebukadnezar eine Kopie des blauen Portals im persischen Hochgebirge hochziehen ließ, ist ziemlich unwahrscheinlich. „Wir haben weder archäologische noch textliche Belege dafür, dass die babylonischen Könige ihren Machtbereich derart weit in das südliche Zagros-Gebirge ausdehnen konnten“, sagt Christian Piller, Vorderasiatischer Archäologe und Iran-Experte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Nach allem, was wir bisher wissen, herrschten in der Region von Persepolis zu jener Zeit nur persische Könige.“

Welcher von ihnen als Urheber des zweiten Ischtar-Tors infrage kommt, kann Callieri weiter eingrenzen: „Kyros der Große kam 539 v.Chr. nach Babylon und sah dort das Ischtar-Tor. Das Pendant in Tol-e Ajori kann also kaum vor diesem Zeitpunkt entstanden sein.“


Reste des zweiten Ischtar-Tors von Tol-e Ajori bei Persepolis (Foto: Iranian-Italian Joint Archaeological Mission, ICAR-Shiraz University-University of Bologna)

Das genaue Alter der Torruine mit archäologischen Mitteln zu ergründen, schlug bislang fehl. Die Funde haben den Forschern dafür nur wenig genützt. Immerhin lieferten sie Anhaltspunkte für eine Datierung – und damit zur Bestimmung des Erbauers. Callieri und Askari ließen einige Funde mit der C14-Methode untersuchen. Die lieferte zwar keine zeitliche Einordnung, aber es wurde klar: Zwischen der Erbauung und Zerstörung dürften nur wenige Jahrzehnte verstrichen sein. Und: Aufgrund der Fundsituation bestehen kaum Zweifel, dass der Bau abgerissen wurde.

Wer die Demontage veranlasst haben könnte, darüber hegen die Forscher einen begründeten Verdacht. „Durch die glasierte Fassade dürfte das Tor weithin in der Ebene sichtbar gewesen sein“, erklärt Callieri. „Als um 518 oder 515 v.Chr. König Dareios I. die Arbeiten an der steinernen Palastterrasse von Persepolis anordnete und ab 486 sein Sohn sie fortsetzen ließ, könnten sie den prominenten Bau als störend empfunden haben.“ Für seine Behauptung habe er zwar keine Beweise, betont der Archäologe von der Universität Bologna. Aber Tol-e Ajori selbst spricht dafür – insbesondere der Schlangendrache, der dutzendweise am Tor prangte.

Neuerungen unter Dareios

Musch-chu-schu war das Symboltier des babylonischen Götterkönigs Marduk. Ob der auch in Persien verehrt wurde, ist nicht überliefert. Sicher ist hingegen, dass spätestens Kyros‘ Nachfolger Dareios und nach ihm sein Sohn Xerxes eine ganz andere Gottheit zum Erschaffer der Welt erklärt hatten: den altiranischen Gott Ahuramazda. Dieser habe Dareios als König eingesetzt, um für Recht und Ordnung auf Erden zu sorgen – das ließ der Perser in zahlreichen Inschriften im Reich verbreiten. Für einen zweiten Götter­könig wäre vermutlich kein Platz gewesen. Marduk alias Musch-chu-schu hatte da wohl längst der Erdboden verschluckt. „Der Schlangendrache taucht in der gesamten persischen Kunst nicht mehr auf“, verdeutlicht Callieri.

Dareios und Xerxes brachen auch mit anderen Traditionen ihrer Vorgänger. Das zeigt sich am deutlichsten beim Ausbau ihrer Residenzen: „Die typisch altpersische Steinarchitektur, wie sie am besten in Persepolis erhalten ist, vereint ägyptische, griechische und persische Stilrichtungen in sich – und hat sich erst unter Dareios herausgebildet“, erklärt Archäologe Piller. Es scheint, als ob Dareios oder Xerxes keine anderen monumentalen Bauten nebst ihrer kolossalen Palastterrasse duldeten – so wie Ahuramazda keinen anderen Gott als Marduk oder Musch-chu-schu neben sich haben sollte.

Kyros der Große dagegen verdankte dem babylonischen Götterkönig sein Weltreich – genau genommen: der mächtigen Priesterschaft des Marduk. Ohne deren Schützenhilfe hätte sich der Perserkönig die Stadt am Euphrat wohl nicht einverleiben können. Mehr noch: Er musste Babylon weder belagern noch sich in große Schlachten mit feindlichen Truppen verstricken. Die Stadt öffnete Kyros ihre Tore und begrüßte jubelnd ihren neuen Herrn. Dass es sich so zutrug, ist belegt. Babylonische Schreiber hatten die Ereignisse bald nach Kyros‘ Einmarsch festgehalten: auf einem flaschengroßen Tonzylinder, der die Jahrhunderte seit 539 v.Chr. überdauert hat.

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Löwendarstellung von der Prozessionsstraße des Ischtar-Tors in Babylon (Foto: red_moon_rise/iStock)

Der sogenannte Kyros-Zylinder erhellt auch die Beweggründe der Marduk-Priester, einen Staatsstreich anzuzetteln: „Der amtierende König von Babylon, Nabonid, hatte sich mit der Priesterschaft angelegt“, erläutert Christian Piller. „Statt Marduk wandte er sich dem Mondgott zu. Nabonid verließ Babylon für zehn Jahre – sicher auch, um Marduk nicht öffentlich verehren zu müssen.“ In dieser Zeit fielen für die Priester wohl kaum Zuwendungen ab. Außerdem konnten ohne Nabonid wichtige Rituale nicht stattfinden – damit war das Wohl des Reiches gefährdet. Ein fremder König, der sich auf die Bedingungen und Bedürfnisse der Priesterschaft einließ, schien da wie gerufen zu kommen.

Marduk verhalf Kyros zur Herrschaft über Babylon – „und ich suche ihn daher täglich zu verehren“, lautet ein Statement des Perserkönigs auf dem Zylinder. Diese und andere Aussagen auf der tönernen Texttrommel haben Altorientalisten allerdings als Floskeln enttarnt. Viele Könige vor Kyros wurden mit denselben und ähnlichen Erklärungen von den babylonischen Schreibern zitiert. „Wir wissen nicht, welcher Religion Kyros anhing“, sagt Piller. „Dass er Marduk tatsächlich verehrte, ist unwahrscheinlich.“ Wenn nicht dem Gott, so dürfte er zumindest den Priestern verpflichtet gewesen sein, vermutet der Archäologe.

Babylon, Marduk, Ischtar-Tor – momentan halten es Callieri und Askari für plausibel, dass Kyros und vielleicht sein nur kurz regierender Sohn die Kopie des blau glasierten Gebäudes bei Persepolis bauen ließen. Sie könnten sich sogar vorstellen, dass babylonische Maurer und Glashandwerker den Eroberer ins persische Hochgebirge begleiteten. Aber den Archäologen brennt eine andere Frage noch mehr auf den Nägeln: Tore geben Einlass. Wohin führte das Ischtar-Tor von Tol-e Ajori?

Wohin führte das Tor?

Eine erste Antwort lieferten wiederum die geophysikalischen Untersuchungen der Kollegen aus Frankreich und dem Iran. Südöstlich von Tol-e Ajori, in einer Entfernung von 360 Metern, hatten sie Gebäudereste kartiert. Callieri und Askari legten den Bereich mit ihrem Team frei und stießen auf die Steinfundamente einer Säulenhalle, die noch in einer Länge von 55 Meter erhalten sind. „Die Längsachse des Torbaus läuft genau auf diesen Fundort zu“, sagt Callieri.

„Außerdem konnten wir eine Vorstellung davon gewinnen, was zwischen der Säulenhalle und Tol-e Ajori lag.“ Die magnetometrischen Aufnahmen zeigen parallel verlaufende Linien im Erdreich. Bohrungen und Analysen von Geologen ergaben, dass es sich um Wasserkanäle gehandelt haben könnte. Callieri und Askari deuten das Gebiet daher als Gartenanlage. „Ein Tor, ein Garten, eine Halle – wir kennen diese Aufteilung von den anderen persischen Residenzen wie Persepolis oder Pasargadae“, fasst der italienische Archäologe zusammen. „Es wäre ­also denkbar, dass auch hier eine Palastanlage gestanden hat – vielleicht die erste eines persischen Königs überhaupt.“

Pierfranceso Callieri und Alireza Askari stecken noch mitten in der Arbeit. In diesem Herbst brechen sie zu einer weiteren Grabungskampagne nach Tol-e Ajori auf – und hoffen, endlich eine Inschrift zu finden, die ihnen den Namen des Erbauers verrät. Bislang haben sie nur ein paar Schriftzeichen auf einem Ziegelfragment entdeckt. Die ergeben das Wort „König“. Bei der letzten Grabung 2015 kam ein zweites Stück dazu, das ihnen wenigstens den Zweck des Gebäudes bestätigte: Darauf steht „Tor“.

© wissenschaft.de – Karin Schlott

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