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Landwirtschaft begann an mehreren Orten gleichzeitig

Geschichte|Archäologie

Landwirtschaft begann an mehreren Orten gleichzeitig
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Diese Tonfigur wurde vor rund 10.000 Jahren von einem steinzeitlichen Bauern geformt (TISARP/Universität Tübingen)
Die ersten Bauern besiedelten vor gut 11.000 Jahren den fruchtbaren Halbmond zwischen Euphrat, Tigris und dem Mittelmeer. Dort begannen sie erstmals, Getreide anzubauen. Von dort aus breitete sich die Landwirtschaft dann über weite Teile Europas und Asiens aus. Unklar war bisher allerdings, wo genau unsere Vorfahren zuerst damit begannen, wilde Pflanzen durch Züchtung zu Nutzpflanzen zu machen. Jetzt hat ein deutsch-iranisches Forscherteam im Vorland des Zagros Gebirges im Iran entscheidende Hinweise dazu entdeckt: In einer steinzeitlichen Siedlung fanden sie 11.700 Jahre alte Relikte von wilden und bereits halb domestizierten Getreidevorläufern. Dies belegt, dass der Anbau von Getreide nicht in einem einzigen Zentrum, sondern nahezu zeitgleich an mehreren Stellen des fruchtbaren Halbmonds begann.

„Schon seit langem debattieren Forscher darüber, ob die Landwirtschaft ihren Ursprung in einem oder in mehreren Gebieten innerhalb des fruchtbaren Halbmonds hat“, erklären Simone Riehl von der Universität Tübingen und ihren Kollegen. Der Übergang vom bloßen Sammeln von Wildpflanzen zum gezielten Anbau – geschehen vor rund 11.000 Jahren – sei aber nicht leicht zu belegen. Ein Indiz dafür wäre es, wenn beispielsweise an einem Fundort Pflanzenarten auftreten, die sich in Aussehen oder Genetik bereits vom Wildtyp unterscheiden. Aber auch Werkzeuge, wie sie zur Feldarbeit und zum Verarbeiten des Getreides benötigt werden, können ein Zeichen dafür sein, dass die Bewohner einer Gegend bereits gezielt Nutzpflanzen anbauten.

Archäologische Hinweise dieser Art seien bisher aber nur in der Levante und im Norden Mesopotamiens gefunden worden, berichten die Forscher. Funde aus dem Osten des fruchtbaren Halbmonds fehlten dagegen. Unter anderem deshalb vermutete man bisher, dass die Landwirtschaft zuerst im Nordwesten entstand – im Grenzgebiet der heutigen Türkei mit Syrien und dem Irak, und dann von dort aus verbreitet wurde.

Spreu und Getreidereste zeugen von gezieltem Anbau

Dem widersprechen nun neue Funde von Riehl und ihren Kollegen aus dem östlichen Teil des fruchtbaren Halbmonds. Sie stammen aus Ausgrabungen in Chogha Golan, einer steinzeitlichen Siedlung am Fuße des Zagros Gebirges im Iran. Dort finden sich zahlreiche Relikte von Gebäuden, Steinwerkzeugen, Tonfiguren und auch viele Mörser und Mahlwerkzeuge aus der Zeit von vor 12.000 bis vor rund 9.800 Jahren. Neben diesen Funden stießen die Archäologen dort aber auch auf große Mengen von gut erhaltenen Pflanzenresten aus dieser Zeit, darunter wilden Vorläufern einiger heutiger Getreidearten wie Gerste und Weizen. Unter diesen war häufig auch die Spreu dieser Getreidevorläufer zu finden, wie die Forscher berichten. Zusammen mit den Mahlsteinen und Mörsern deute dies darauf hin, dass die Bewohner dieses Gebiets bereits vor 11.700 Jahren damit begonnen hatten, diese wilden Getreidevorläufer gezielt anzubauen und zu ernten. „Die Mahlsteine und Mörser könnten dazu gedient haben, aus den Körnern dieser Gräser eine Art Bulgur oder Mehl zu machen, das dann gekocht oder geröstet wurde“, vermutet Riehl.

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Die systematische Analyse und Datierung der Pflanzenreste ermöglichte es den Forschern, nahezu lückenlos nachzuvollziehen, wie die steinzeitlichen Bewohner von Chogha Golan allmählich zu Bauern wurden. Demnach begannen sie vor knapp 12.000 Jahren zunächst, immer mehr wilde Gerste anzubauen, aber auch Linsen und in geringem Maße wilden Weizen. Vor rund 9.800 Jahren tauchen dann erstmals auch Spreu und Körner von Emmer (Triticum dicoccum) auf. Er gehört zu den ältesten kultivierten Getreidearten – und ist damit ein klares Zeichen dafür, dass die Menschen in Chogha Golan bereits die ersten Nutzpflanzen gezüchtet hatten, wie die Wissenschaftler berichten.

„Diese Ergebnisse sprechen gegen einen einzigen Ursprung der Landwirtschaft“, konstatieren Riehl und ihre Kollegen. Stattdessen habe es damals mehrere, über den fruchtbaren Halbmond verteilte Gebiete gegeben, in denen die Menschen nahezu gleichzeitig damit begannen, Nahrungspflanzen anzubauen und zu züchten. „Natürlich schließt das nicht aus, dass es einen Transfer von Ideen und Material zwischen den verschiedenen Gruppen gegeben hat“, so die Forscher. Aber durch die Funde in Chogha Golan sei klar, dass vor fast 12.000 Jahren sowohl im Nordwesten als auch im Osten des fruchtbaren Halbmonds bereits erste Bauern lebten.

Quelle

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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