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Ötzi: Unerwartete Fernbeziehungen

Geschichte|Archäologie

Ötzi: Unerwartete Fernbeziehungen
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Das Kupferbeil des Mannes aus dem Eis (Foto: Südtiroler Archäologiemuseum)
Die Gletschermumie Ötzi hat schon so manchen überraschenden Einblick in die Frühgeschichte Europas ermöglicht. Jetzt haben Forscher eine weitere unerwartete Erkenntnis gewonnen: Chemische Analysen enthüllen, dass das Kupfer von Ötzis Beil nicht aus dem Alpenraum oder vom Balkan stammt wie bisher angenommen. Stattdessen wurde das Kupfer offenbar in der Toskana gewonnen und verarbeitet. Das spricht dafür, dass Mittelitalien und der südliche Alpenraum vor gut 5000 Jahren weitaus enger in Verbindung standen als man dachte.

Es gibt wohl kaum einen Vertreter der europäischen Prähistorie, der so berühmt und gut untersucht ist wie „Ötzi“, die Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen. Vor mehr als 5000 Jahren war der Mann aus der Kupferzeit in dieser unwirtlichen Bergwelt gestorben und kurz darauf komplett vom Eis eingeschlossen worden. Dadurch blieb er ungewöhnlich gut konserviert. Bei seiner Entdeckung im Jahr 1991 waren seine Kleidung, eine Waffen und anderen Utensilien und auch die meisten seiner Körpergewebe deshalb noch weitgehend intakt erhalten – ein archäologischer Glücksfall. Seither haben Untersuchungen von Ötzis Überresten schon zahlreiche spannende Einblicke über das Leben dieses Mannes, aber auch die Kultur und Lebenswelt der Menschen im Alpenraum zu dieser Zeit geliefert. So wissen wir heute, dass Ötzi wahrscheinlich aus einer Region südlich der Alpen stammte. Seine Ausrüstung, Waffen und die Tätowierungen auf seinem Körper sprechen dafür, dass er kein einfacher Wanderhirte war, sondern einen hohen Rang bekleidete – möglicherweise war er sogar ein Schamane. Der Mann aus dem Eis vertrug zudem keine Milch, hatte schlechte Zähne und litt wahrscheinlich unter einem Magengeschwür. Klar scheint zudem, dass Ötzi keines natürlichen Todes starb, wenngleich die genauen Todesumstände noch im Dunkeln liegen: Er wurde von einem Pfeil in die Schulter getroffen und erhielt einen harten Schlag auf den Kopf.

Kupfer stammt aus der Toskana

Jetzt haben Gilberto Artioli von der Universität Padua und seine Kollegen ein weiteres spannendes Detail zu einer der Utensilien der Gletschermumie herausgefunden: dem Kupferbeil. Die Waffe aus dem damals noch seltenen und begehrten Metall stammt aus der Zeit um 3346 bis 3011 vor Christus, wie eine Radiokarbondatierung des Griffs ergab. Damit ist dies das weltweit älteste komplett erhaltene Beil der Jungsteinzeit. Das Eis konservierte den Holzgriff, die Kupferklinge und sogar die Lederumwicklung und den Birkenteer, die die Klinge am Griff hielten. Erste Analysen hatten bereits enthüllt, dass die Kupferklinge nicht geschmiedet wurde, sondern in einer zweiteiligen Gussform gegossen worden sein muss. Doch woher das Kupfer stammte, blieb unklar. Erst jetzt haben die Forscher die Chance erhalten, eine winzige Probe vom Kupfer der Beilklinge zu entnehmen und das Metall unter dem Elektronenmikroskop, aber auch per Massenspektrometer zu analysieren.

Die Analysen ergaben Überaschendes. Denn bisher gingen Archäologen davon aus, dass das meiste im Alpenraum verarbeitete Kupfer entweder aus dem Alpenraum selbst stammt, oder aus Erzlagerstätten auf dem Balkan importiert wurde. Doch Ötzis Beilklinge widerspricht dem: „Die Untersuchungsergebnisse belegen eindeutig, dass die Quelle des Metalls das erzreiche Gebiet der Südtoskana ist – trotz reichlicher Belege dafür, dass die alpinen Kupfervorkommen zu dieser Zeit bekannt waren und genutzt wurden“, konstatieren Artioli und seine Kollegen. Das Kupfer von Ötzis Beil entspreche in seiner chemischen Zusammensetzung und auch in den Isotopen seiner Bleianteile fast genau denen der Kupfererze aus der Toskana. Gegen eine Herkunft des Metalls aus Tirol spricht zudem, dass der Klinge die typische Verunreinigung mit Antimon fehlt, die für Kupfererze dieser Region typisch sind, wie die Forscher erklären.

Überraschende Fernverbindungen

„Damit erscheint die Klinge des Eismannes in einem völlig neuen Licht“, konstatieren die Wissenschaftler. Denn die enge Verbindung zwischen Mittelitalien und dem Alpenraum ist auch für sie unerwartet und überraschend. „Dies liefert eine ganz neue Sicht des Austauschs von Gütern und der Beziehungen über weite Entfernungen hinweg in diesen frühen Kupferzeit-Kulturen“, sagen Artioli und seine Kollegen. Die neuen Ergebnisse sprechen für weitreichende Verbindungen zwischen den jungsteinzeitlichen Kulturen in Mittelitalien und denen nördlich des Apennins bis hin zum südlichen Alpenbogen – der Region, aus der Ötzi stammt. Wie die Forscher erklären, passt dies relativ gut zu jüngsten archäologischen Funden in der Toskana. Denn dort hatten Archäologen Überreste von Kupferschlacken und Kupferschmelzen entdeckt, die aus der Zeit um 3400 bis 3100 vor Christus stammen – und damit etwa aus der Zeit, in der der Eismann lebte.

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Unklar ist allerdings noch, in welcher Form das Kupfer von Ötzis Beil von der Toskana in die Alpen gelangte: Denkbar wäre, dass das Metall als Rohmaterial, beispielsweise als Kupferbarren eintauscht oder erhandelt wurde. Möglich wäre aber auch, dass Ötzi oder jemand anderes in seinem Umfeld die fertige Beilklinge erwarb. Die Archäologen hoffen, diese Frage in weiteren Forschungen zur jungsteinzeitlichen Metallverarbeitung in Mittelitalien und den Alpen klären zu können.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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