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Warum Mumien auf Pappmaché stehen

Geschichte|Archäologie

Warum Mumien auf Pappmaché stehen
Schon die alten Ägypter benutzten offenbar Prothesen. Das schließt eine britische Ägyptologin aus einem ungewöhnlichen Versuch: Sie baute zwei künstliche große Zehen, die in ägyptischen Mumiengräbern gefunden wurden, nach und testete sie an Freiwilligen, denen ein großer Zeh fehlte. Ergebnis: Die Kunst-Zehen bewährten sich nicht nur beim Laufen, sie hielten auch problemlos der Belastung beim Abrollen des Fußes stand. Demnach waren die Zehen nach Ansicht von Jacky Finch von der University of Manchester mit hoher Wahrscheinlichkeit keine reinen Grabbeigaben, wie von vielen Experten angenommen. Vielmehr scheinen sie wirklich als Ersatz für abgetrennte beziehungsweise amputierte Zehen gedient zu haben. Damit wären sie die ältesten bekannten Prothesen überhaupt und würden den bisherigen Rekordhalter, das sogenannte Capua-Bein, gleich um mehrere hundert Jahre übertreffen. Das aus Bronze gefertigte Capua-Bein wurde im italienischen Santa Maria Capua Vetere entdeckt und auf rund 300 vor Christus datiert, schreibt die Wissenschaftlerin.

Einer der Zehen – nach seinem Entdecker Greville-Chester-Zeh genannt – war im 19. Jahrhundert in der Nähe von Luxor ausgegraben worden. Er wurde etwa 600 vor Christus aus Pappmaché, das aus Leinen und Leim aus tierischen Überresten bestand, hergestellt und mit einer Art Putz überzogen. Der zweite künstliche Zeh befand sich im Grab von Tabaketenmut, einer Priestertochter, die irgendwann zwischen 950 und 710 vor Christus lebte. Es gibt Hinweise darauf, dass sie an Diabetes litt. Sie verlor daher ihren Fuß möglicherweise aufgrund der bei Diabetes typischen Durchblutungsprobleme der Gliedmaßen, die sich vor allem in den Füßen manifestieren und dort zu einem sogenannten diabetischen Fuß führen. Die bei Tabaketenmut gefundene Prothese ist eine aufwendige dreiteilige Konstruktion aus Holz und Scharnieren aus Leder. Beide Zehen haben Löcher, die wahrscheinlich dazu dienten, die Prothesen mit Laschen am Fuß zu befestigen.

Was Finch davon überzeugt, dass es sich bei den künstlichen Zehen nicht nur um Grabbeigaben handelt, ist vor allem ihre anatomische Exaktheit. Außerdem haben sie Gebrauchsspuren. Deshalb wollte die Wissenschaftlerin die Zehen auf ihre Tauglichkeit in der Praxis überprüfen. Zunächst fand sie zwei Freiwillige, die ihren kompletten rechten großen Zeh verloren hatten. Dann fertigte sie exakt nach dem Vorbild der Zehen aus den Mumiengräbern zwei Prothesen an. Diese wurden den Probanden angelegt, die dann auf einer mit Sensoren bestückten Matte – buchstäblich – einen Testlauf absolvieren sollten. Zusätzlich wurde mit einer Kamera der Bewegungsablauf gefilmt.

Es zeigte sich, dass die Testpersonen mit den Prothesen gut zurechtkamen und problemlos laufen konnten. Auch hielten die Kunstzehen die Belastung ohne Schwierigkeiten aus, wobei die großen Zehen beim Laufen immerhin 40 Prozent des Körpergewichts tragen müssen. Die Stabilität und die gute anatomische Anpassung seien demnach ein Beweis für das große handwerkliche Geschick der alten Ägypter, bemerkt Finch abschließend.

Jacky Finch (University of Manchester): The Lancet, Bd. 377, S. 548 dapd/wissenschaft.de – Hans Groth
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