Brüstle war es 1999 zusammen mit anderen Forschern erstmals gelungen, aus embryonalen Stammzellen von Mäusen myelinbildende Zellen herzustellen und diese in Gehirne von Ratten einzuschleusen, wo sie neue Myelinscheiden bildeten. Nun würde das Team gerne die Ergebnisse an menschlichen Zellen überprüfen. Zuerst wollen die Forscher myelinbildende Zellen aus humanen Stammzellen herstellen und diese in Nagergehirne transplantieren. Später könne man Versuche an Primaten durchführen, Tests an Menschen seien erst sehr viel später denkbar. „Es wird noch Jahre dauern, bis wir wissen, inwieweit sich Defekte bei MS durch Stammzellen werden beheben lassen.“
Dennoch sieht Brüstle in der Stammzelltherapie „ein enormes Potenzial“ für MS. Kandidaten für einen künftigen Durchbruch bei der Behandlung mit Stammzellen sind seiner Meinung nach zwei Arten von Hirnerkrankungen: Zum einen solche, bei denen der Defekt nur an bestimmten Stellen auftritt (wie bei Parkinson), zum anderen solche, wo nicht die Neuronen selbst geschädigt sind, sondern die sie umgebenden Zellen (wie bei MS).
Parallel zu Brüstle sprach dessen Mitstreiter Otmar Wiestler in Frankfurt vor dem Verein zur Förderung der Neurologischen Wissenschaften. Dabei lehnte er das so genannte therapeutische Klonen klar ab: Der vor allem in England verfolgte Weg werde stark überbewertet: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass dieses Verfahren jemals zum Einsatz kommt.“ Beim therapeutischen Klonen werden dem Gewebe von Patienten Zellkerne entnommen und in entkernte weibliche Eizellen eingesetzt. Dies sei nicht nur außerordentlich schwierig, er frage sich auch „wo all die Eizellen herkommen sollen“.
Wiestler verteidigte den geplanten Import embryonaler Stammzellen nach Deutschland: Für die Stammzellen würden keine Embryonen verbraucht, die Zelllinien würden aus Föten gewonnen, die ohnedies vernichtet würden. Die Experimente würden strengstens kontrolliert.
Patienten mit multipler Sklerose haben nach Darstellung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) immer häufiger Probleme, neuartige Therapien verordnet zu bekommen. Ärzte würden MS- Kranken aus Angst vor Regressforderungen der Krankenkassen innovative Medikamente verweigern, berichtet die Bundesgeschäftsführerin der DMSG, Dorothea Pitschnau, in einem dpa- Gespräch.