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Mehr Zink!

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Mehr Zink!
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In Entwicklungsländern leidet jeder Dritte unter Vitamin- und Mineralstoffmangel, weil billige Grundnahrungsmittel wie Reis nur wenig davon enthalten. Unzähligen Menschen fehlt es vor allem an Zink ? ein fatales Defizit, stellt es doch eine der Haupttodesursachen der Dritten Welt dar. Die Strategie der Weltgemeinschaft: Reis- und Getreidesorten mit besonders hohem Zinkgehalt sollen armen Bevölkerungsschichten als preiswerte Zinkquelle dienen. Biologen der Universität Bayreuth sind diesem Ziel nun ein Stück näher gerückt ? mithilfe der Modellpflanze und ?Zinkbombe? Arabidopsis halleri.

Eier, Leber, Austern und rotes Fleisch liefern viel wertvolles Zink, sind aber auch ziemlich teuer. Zu teuer für breite Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern. Wo die Armut eine einseitige vegetarische Ernährung mit Reis oder Getreide erzwingt, bleibt die Versorgung mit lebenswichtigen Vitaminen und Spurenelementen wie Zink auf der Strecke. So leiden nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation weltweit etwa zwei Milliarden Menschen unter Zinkmangel. Besonders stark betroffen sind Kleinkinder, die viel Zink für die geistige und körperliche Entwicklung benötigen. Auch die Abwehrkräfte des Körpers sind auf Zink angewiesen. Todesursache bei Zinkmangel ist deshalb oft eine Infektionskrankheit wie Durchfall. Grundnahrungsmittel sollen Zinkbedarf decken Die Bekämpfung der weltweiten Zinkmangelernährung wurde von Wirtschaftsexperten bereits vor Jahren an die Spitze der globalen Prioritätenliste gesetzt. Das Problem sei relativ einfach zu beheben, hieß es schon 2008 in einem Konsens: Reis und Getreide ? die Grundnahrungsmittel der Ärmsten ? sollten auf natürliche Weise mit Zink angereichert werden. Züchter sollten Sorten hervorbringen, die schon während des Wachstums auf dem Feld viel Zink aus dem Boden aufnehmen und in ihren Samen speichern. Soweit die Theorie. In der Praxis denken die Samenpflanzen aber gar nicht daran, das Zink aufzunehmen, das man mit dem Dünger zusätzlich auf die Felder bringt. Mit gutem Grund: So wichtig das Schwermetall für alle Zellen ist, so giftig kann es auch werden, wenn zu viel davon vorliegt. Wie es die Pflanze schafft, genau die richtige Menge Zink aufzunehmen und Konzentrationsschwankungen in der Zelle auszugleichen, ist in wichtigen Punkten noch ungeklärt. Offenbar gelangt das Zink aus dem Boden zwar in die Wurzeln, scheint dort aber hängen zu bleiben und nicht in die oberen Pflanzenteile zu gelangen. Wie kann man also Pflanzen dazu bringen, in den Blättern und Samen mehr Zink aufzunehmen? Der Molekularbiologe Ulrich Deinlein untersucht die zinkanreichernde Pflanze Arabidopis halleri an der Universität Bayreuth. Mithilfe der Modellpflanze soll der Zinkhaushalt von Pflanzen besser verstanden werden. Pflanze mit Vorliebe für Schwermetall Ein Glücksfall für die Beantwortung dieser Frage ist ein unscheinbares kleines Kraut: Arabidopsis halleri, die Hallersche Schaumkresse, pumpt ihre Blätter buchstäblich voll mit Zink, selbst wenn davon nur relativ wenig im Boden ist. Die Pflanze kann so viel von dem Schwermetall anreichern, dass ein einziges Gramm ihrer getrockneten Blätter ? wäre sie denn essbar ? den Tagesbedarf eines Menschen an Zink decken würde. Warum sich die Pflanze diese Metallkur antut, ist nicht bekannt. Es wird unter anderem vermutet, dass sie sich damit vor Krankheitserregern schützt. Fest steht: Das Zink schadet der Schaumkresse nicht. Sie grünt und blüht auch auf dem Gelände alter Hüttenwerke, die oft regelrecht mit Zink verseucht sind. Wie macht sie das ? und würde das auch bei Kulturpflanzen funktionieren? Mobiles Zink in Wurzelzellen Molekularbiologen der Universität Bayreuth um Ulrich Deinlein haben dem Zinkpflänzchen nun ein entscheidendes Geheimnis entlockt: Offenbar verdankt die Hallersche Schaumkresse ihre Fähigkeit, Metall aus den Wurzeln in die Blätter zu befördern, zu einem großen Teil einem bestimmten Gen. Sobald die Biologen nämlich die Aktivität dieses Gens drosselten, blieb das Zink in den Wurzeln der Pflanze. Das Gen enthält den Bauplan für ein Enzym, das wiederum ein kleines Molekül namens Nicotianamin produziert. In Wurzelzellen von Arabidopsis halleri wirkt Nicotianamin wie ein Transportmittel für geladene Zinkteilchen: Sobald das Zink in die Zelle gelangt ist, wird es von Nicotianamin abgefangen und kann sich so verpackt frei von Zelle zu Zelle bewegen. Auf diese Weise gelangt es bis zu den Leitbahnen im Inneren der Wurzel, wo es mit dem Wasser nach oben zu den Blättern befördert wird. ?Mit dem Nachweis des wichtigen Beitrags von Nicotianamin zur Zinkanreicherung in Arabidopsis halleri konnten wir einen entscheidenden Faktor des pflanzlichen Zinkhaushaltes identifizieren?, sagt Ulrich Deinlein und fügt hinzu: ?Jede neu beschriebene Komponente dieses komplexen Netzwerks steigert das Potenzial, diese Eigenschaft auf Nutzpflanzen zu übertragen.? Tatsächlich wurde ein Gen zur Produktion von Nicotianamin auch schon in Reis und Gerste entdeckt, nur ist es dort längst nicht so aktiv. Würde man seine Aktivität verstärken, könnte man möglicherweise auch den Zinkgehalt von Reis und Gerste erhöhen. Solange ein Überfluss an rotem Fleisch, Leber und Eiern den reichen Ländern der industrialisierten Welt vorbehalten ist, bleibt dies die beste Chance im Kampf gegen Zinkmangelernährung.

Ulrich Deinlein et al. (Universität Bayreuth): Plant Cell, doi: 10.1105/tpc.111.095000 © wissenschaft.de ? Maria Bongartz
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