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Verfälschte Forschung

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Verfälschte Forschung
Die aktuell gängige Praxis, den Erfolg eines Wissenschaftlers an seiner Publikationsliste zu messen, beeinträchtigt dessen Objektivität: Sie sorgt dafür, dass Akademiker vor allem bei hohem Konkurrenzdruck überdurchschnittlich viele positive Ergebnisse veröffentlichen. Das zeigt eine Studie des schottischen Verhaltensforschers Daniele Fanelli von der Universität Edinburgh, der die Produktivität US-amerikanischer Wissenschaftler genauer unter die Lupe genommen hat. Ergebnis: Je höher die Zahl der Fachartikel pro Akademiker in einem Bundesstaat war, desto größer war auch der Anteil positiver Ergebnisse, die in diesen Veröffentlichungen beschrieben wurden. Das verzerre die tatsächliche Situation und könne ein falsches Bild von der Wirklichkeit vermitteln, mahnt Fanelli. Er rät daher dringend, die extreme Konzentration auf die Publikationsliste bei der Vergabe von Jobs und Drittmitteln zu überdenken, ansonsten sei die Qualität der Forschung ernsthaft gefährdet.

Der steigende Konkurrenzdruck unter Wissenschaftlern hat zu einer Kultur des „publish or perish“ ? veröffentliche oder verschwinde ? geführt. Wer als Forscher also nicht ständig in hochrangigen Fachzeitschriften publiziert, hat kaum noch Chancen auf zusätzliche Finanzmittel oder eine gut bezahlte Stelle. Das Problem: Nicht jedes Ergebnis lässt sich auch veröffentlichen, insbesondere nicht in den begehrten Journalen. Widerspricht der Ausgang eines Experiments etwa der zu testenden These, ist es für die Fachzeitschriften weniger attraktiv ? obwohl es zum wissenschaftlichen Verständnis ebensoviel beiträgt wie ein positives Ergebnis. Viele Wissenschaftler sind daher gezwungen, negative Befunde entweder gar nicht zu veröffentlichen oder sie irgendwie in ein positives Ergebnis umzuwandeln, sei es durch eine Umformulierung der Hypothese oder einer gezielten Auswahl an Daten.

Die Angst, dass steigender Konkurrenzdruck zu einer derartigen Verzerrung führen könnte, wurde bereits im 19. Jahrhundert formuliert, berichtet Fanelli. Er habe daher versucht, eine Methode zu finden, mit der man einen solchen Zusammenhang direkt messen könne. Sein Ansatz: Er betrachtete insgesamt 1.300 Veröffentlichungen aus 20 verschiedenen Disziplinen mit einem Hauptautor aus den Vereinigten Staaten, in denen eine Hypothese auf den Prüfstand gestellt wurde. Dann teilte er sie in solche mit positivem Ergebnis auf, in denen die Daten die Hypothese stützten, und solche mit negativem, in denen die Hypothese verworfen wurde. Anschließend korrelierte er die Ergebnisse mit der Produktivität des Bundesstaates, in dem der Autor arbeitete, also der Anzahl der Publikationen pro Akademiker-Kopf.

Ergebnis: In Staaten mit geringer Produktivität lag der Anteil positiver Ergebnisse teilweise unter 30 Prozent, während er in den Staaten mit der höchsten Produktivität zwischen 95 und 100 Prozent betrug. Zum Teil gehe dieser Unterschied sicher darauf zurück, dass die Forscher in den produktivsten Instituten auch die beste Ausstattung zur Verfügung haben und deswegen tatsächlich erfolgreicher sind, erläutert Fanelli. Die Größe des Effekts zeige jedoch, dass das unmöglich der einzige Faktor gewesen sein könne. Er hält Konkurrenzdruck für den entscheidenden Punkt: Je größer er ist, desto wahrscheinlicher sei es, dass die Forscher versuchten, ihre Ergebnisse positiv aussehen zu lassen. Es bleibe zu prüfen, ob sie das allein durch eine andere Darstellung der Ergebnisse erreichen oder ob sie ihre Daten tatsächlich „optimieren“ oder sogar verfälschen, so Fanelli.

Daniele Fanelli, (Universität Edinburgh): PLoS ONE, Bd. 5, Nr. 4, Artikel e10271 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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