Der Forscher hat vor allem am Beispiel Stuttgarts untersucht, wie sich die Einstellung gegenüber Obdachlosen und Drogenkonsumenten im City-Bereich gewandelt hat. Da gebe es durchaus Parallelen zu Entwicklungen in den USA, „wie etwa die zunehmende Einführung von privaten Sicherheitsdiensten in den Innenstadtbereichen“, so der Forscher. Eine Analyse der Presseberichte der letzten Jahre ergab allerdings auch, dass Randgruppen nicht immer als Bedrohung empfunden worden waren. „Im Archiv zweier Stuttgarter Zeitungen ließ sich nicht gezielt nach dem Thema Vertreibung von Randgruppen suchen, es existierte überhaupt nicht. Berichte zu Randgruppen waren eher unter dem Stichwort ‚Sicherheit der Bürger‘ zu finden.“
Bis zum Ende der 80-er Jahre, so der Wissenschaftler, seien Wohnungslose nicht als Bedrohung empfunden worden. „Irgendwann Anfang der 90-er Jahre gibt es einen Bruch“, sagt Krebs. Die Bürger fühlten sich zunehmend gestört, Stadtpolitiker uind Polizei begannen eine Sicherheitsdiskussion, die, wie Krebs sagt, „von den Medien unterhinterfragt übernommen wurde“. Die Situation in Stuttgart habe sich aufgeschaukelt: Zunächst gab es eine verbale Anklage der Polizei gegen die Randgruppen. Dies wurde von den Medien aufgegriffen. Daraufhin sah die Polizei einen Grund, einzugreifen. Krebs schätzt, dass die Diskussion 1995 / 1996 ihren Höhepunkt erreichte. „Mit fragwürdigen Umfragen wurde die These vom mangelnden subjektiven Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung untermauert, dabei spielte zum Beispiel der Einzelhandel eine große Rolle.“
Neben der Analyse der Presseberichte hat sich Krebs auch in der Stadt umgesehen und mit Menschen aus den Randgruppen, mit Polizisten, Sozialarbeitern und Einzelhändlern gesprochen. Dabei stellte er fest, dass die Obdachlosen ihre Situation nicht als frei gewählt empfanden. Den freiheitsliebenden Landstreicher, der am liebsten bei Mutter Grün übernachtet, hat Krebs nicht getroffen. „Hier landen Menschen auf der Straße, die manchmal sogar aus einem gut bezahlten Beruf heraus in die Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot abrutschen, häufig begleitet von Alkoholproblemen.“ Investoren und Einzelhändler interessiert dies wenig. Gerade erstere erreichen nach Erkenntnissen von Krebs immer häufiger durch bestimmte Auflagen, dass der Aufenthalt von Obdachlosen und Drogenkonsumenten stärker kontrolliert wird. So werden etwa immer weniger Bänke und immer mehr Einzelsitze auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Räumen installiert, wodurch Obdachlose daran gehindert werden sollen, an diesen Orten zu übernachten. Vielfach werden auch Flächen des öffentlichen Raums von der Stadt an privatwirtschaftliche Investoren verpachtet. Die lassen dann von ihren Sicherheitsdiensten die Randgruppen-Angehörigen vertreiben.
Insgesamt gesehen funktionieren die Strategien zur Verdrängung der Randgruppen nach den Erkenntnissen des Kulturwissenschaftlers nur eingeschränkt. Gerade Drogenkonsumenten ließen sich nur schwer von ihren angestammten Plätzen, zu denen oft der Hauptbahnhof gehört, vertreiben. Beim Drogenhandel werde besonders Zentralität und Anonymität gebraucht. Und wenn der Handel mit Drogen zu stark überwacht wird, gebe es eben an zentralen Plätzen nur die Informationen, wo der Stoff zu bekommen ist. Der Versuch der Vertreibung der Drogenszene koste nur unnötig Geld. Denn bei diesem „Bullenjogging“ ? wie die entsprechenden Polizeiaktionen in der Szene genannt werden ? müssten oft ganze Hundertschaften eingesetzt werden. Krebs gibt auch zu bedenken, dass Drogenhandel ein typisches Merkmal von Städten sei: „Der Handel an sich, zum Beispiel mit Lebensmitteln, hat dazu geführt, dass überhaupt Städte entstanden sind“, so der Forscher.
Bibliografischer Hinweis: Thomas Krebs: „Platzverweis ? Städte im Kampf gegen Außenseiter“, Tübinger Vereinigung für Volkskunde, 2001. ISBN 3-932512-11-1