Läuse haben nach Ansicht französischer Forscher maßgeblich zum Verlust von Napoleons Armee auf dem Rückzug vom Russlandfeldzug 1812 beigetragen: Bei einer Analyse von Überresten französischer Soldaten aus einem Massengrab im litauischen Vilnius entdeckten die Wissenschaftler um Didier Raoult Erbgut von zwei Krankheitserregern, die über Kopf- und Kleiderläuse übertragen werden. Demnach war etwa ein Drittel der Armee mit Fleckfieber oder dem so genannten Fünftagefieber infiziert ? Krankheiten, die bei den bereits geschwächten Soldaten wohl in vielen Fällen zum Tod geführt haben.
Den Rückweg vom Russlandfeldzug trat Napoleon bereits mit einer durch Hunger, Kälte und Krankheiten stark dezimierten Armee an. Etwa 25.000 der ursprünglich mehr als 500.000 Soldaten gelangten bis in die litauische Hauptstadt Vilnius. Dort fielen nach Angaben der Forscher jedoch weitere 22.000 Franzosen Infektionskrankheiten zum Opfer und wurden in Massengräber bestattet. Welche Krankheiten genau in der Armee ausbrachen, war bislang jedoch nicht bekannt.
Raoult und seine Kollegen analysierten nun Erde aus einem solchen Grab und fanden neben Resten von Uniformen und Knochenfragmenten auch Überreste von Kleiderläusen. Eine Analyse des Laus-Erbguts zeigte außerdem, dass mehr als die Hälfte der Läuse Träger eines Bakteriums namens Bartonella quintana gewesen waren. Dieser Erreger verursacht das auch heute noch in Osteuropa vorkommende Wolhynische Fieber, eine auch Fünftage- oder Schützengrabenfieber genannte, potenziell tödliche Infektionskrankheit.
Das gleiche Erregererbgut fanden die Wissenschaftler auch im Zahnmark einiger der verstorbenen Soldaten. Andere hatten sich offenbar mit dem ebenfalls durch Läuse übertragenen Fleckfieber infiziert, wie weitere Untersuchungen zeigten. Insgesamt, so das Fazit der Forscher, litten offenbar etwa 30 Prozent der Soldaten an der einen oder der anderen Krankheit. Ihrer Ansicht nach könnten diese Epidemien daher maßgeblich zum Scheitern des Feldzuges und den extremen Verlusten auf dem Heimweg beigetragen haben.
Didier Raoult ( Université de la Méditerranée, Marseille) et al.: Journal of Infectious Diseases, Bd. 193, S. 112 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel