Jeder weiß, dass ein Eisberg für den Untergang der Titanic vor 92 Jahren verantwortlich war. Warum das Schiff aber nachts mit voller Kraft durch ein Feld mit Eisbergen fuhr, glaubt jetzt der Ingenieur Robert Essenhigh von der Ohio State University herausgefunden zu haben: Seiner Meinung nach war in einem der sechs Kohlebunker ein Schwelbrand ausgebrochen, der die Maschinisten zur Volldampf-Fahrt zwang.
Wenn sich ein Haufen Kohle einmal entzündet, ist das Feuer nur schwer zu löschen. Das zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Grubenbrände in vielen Gegenden der Welt, die zum Teil jahrzehntelang vor sich hin glimmen und weite Landstriche verpesten können. Daher waren Kohlebrände auf Dampfschiffen ein chronisches Problem, berichtete Essenhigh am Sonntag auf der Tagung der
Geological Society of America in Denver. Der übliche Umgang mit dem Problem bestand darin, möglichst viel Kohle aus dem betroffenen Bunker zu entnehmen und in die Kessel der Dampfmotoren zu schippen. Das bedeutete allerdings, dass die Motoren unter Volldampf liefen.
Essenhigh zufolge gab es keine anderen Gründe, warum die Titanic so schnell fuhr. „Sie war auf Komfort und Bequemlichkeit ausgerichtet und nicht darauf, einen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen“, sagt der Forscher. Er berichtete, dass das Kohlefeuer bei den Hafenaufenthalten in Southampton und Cherbourg von der Hafenfeuerwehr kontrolliert wurde. Der Bunker war mit 800 Tonnen Kohle gefüllt. Pro Stunde habe sich die Höhe des Kohlehaufens um zwei bis vier Zentimeter verringert, wenn das Schiff unter Volldampf fuhr, berechnete der Ingenieur.
Falls das Feuer im oberen Teil des Bunkers ausgebrochen war, reichte die Zeit bis zur Kollision nicht aus, um es zu löschen.
„Die Theorie ist sehr spekulativ“, gibt Essenhigh zu. Aber nicht unbedingt weit hergeholt: „Wenn so ein Feuer erst mal brennt, ist es nur sehr schwer wieder auszulöschen.“
Ute Kehse